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Entwicklung und Lernen – Sprache und Medien

Dieses Aufgabengebiet wurde erstellt von Julian Heil & Laura von Albedyhll.

 

Das Hineinwachsen in die Welt der Sprache und Schrift hält viele Herausforderungen für Kinder bereit. Dabei spielt die Umwelt, in der sie ihre Fähigkeiten entwickeln, eine große Rolle: Welche Sprache oder welchen Dialekt die Bezugspersonen sprechen, wie oft und wann miteinander geredet wird, welche Medien genutzt und wie sie bewertet werden, wie Schrift im Alltag vorkommt. Diese und viele weitere Faktoren sind Grundlage der Sprach- und Schriftsprachentwicklung. Gleichzeitig bringen Kinder eigene Fähigkeiten oder Beeinträchtigungen mit, die für Stolpersteine sorgen oder den Erwerb von Sprache(n) beflügeln können.


Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 2

GRUNDLAGEN DES SPRACHERWERBS

Sprache ist grundlegendes Kommunikationsmittel – auch im deutschen Bildungssystem. Über Sprache werden sämtliche Lerninhalte vermittelt; entsprechend nimmt sie im Entwicklungskontext einen übergeordnet hohen Stellenwert ein (Holler, 2007, S. 24-25). Im Folgenden wird die Sprachentwicklung auf vier Ebenen genauer beleuchtet.


Bildung und Verwendung von Lauten (Phonetik-Phonologie)

Die Entwicklung der phonetisch-phonologischen Ebene beginnt bereits mit dem ersten Schreien des Kindes. Haid und Löffler (2015, S. 25-26) fassen zusammen, dass Kinder in ihrem ersten Lebensjahr mit verschiedenen Lauten explorieren und die erste und zweite Lallphase durchlaufen. In der Regel beherrschen sie um den ersten Geburtstag alle Vokale der Erstsprache und erste Konsonanten. Die ersten Konsonanten, die Kinder beherrschen, werden im vorderen Bereich des Mundes gebildet (m, n, p, b, d). In der weiteren Entwicklung, so Weinreich und Zehner (2017, S. 31-37), entstehen durch die Silbenverdopplung erste Wörter wie „Mama“ oder „Papa“. Nach und nach lernt das Kind, weitere Konsonanten zu bilden und miteinander zu verknüpfen. Dabei lernt es, immer komplexere Lautverbindungen auszusprechen. Bis alle Laute korrekt gebildet und verwendet werden können, kann es bis zum sechsten Geburtstag andauern.


Wortbedeutung und Wortschatz (Semantik-Lexik)

Haid und Löffler (2015, S. 23-24) führen aus, dass erste Wortbedeutungen, die das Kind versteht, aus seiner unmittelbaren Umgebung stammen. Dabei geht es um Dinge, die für das Kind konkret mit den Händen, Augen oder Ohren greifbar und manipulierbar sind. Auch wenn das Kind im ersten Lebensjahr noch keine Wörter selbst sprechen kann, kann es Wörter und Aufforderungen schon verstehen. Das Verstehen von Wörtern geht dem Produzieren von Wörtern immer voraus, so die Autorinnen. Weiter fassen Haid und Löffler (2015, S. 24) zusammen, dass das Kind ungefähr zu seinem ersten Geburtstag anfängt, einfache Wörter (auf Basis seiner lautlichen Fähigkeiten, s.o.) aus seinem täglichen Angebot der Bezugspersonen selbst zu produzieren, meist Nomen (z.B.: Ball, Auto) oder personal-soziale Wörter (z.B.: nein, bitte). Bis zum 18. Lebensmonat kann das Kind ca. 50 Wörter selbst produzieren. Hat es diese magische Grenze erreicht, setzt die Phase des schnellen Wortschatzwachstums ein. Im weiteren Verlauf verstehen Kinder die Bedeutungszusammenhänge von einzelnen Wörtern und kombinieren diese miteinander zu ersten Sätzen (z.B.: Ball rollt) oder können diese deklinieren (z.B.: Singular – Plural: Auto – Autos) (Haid & Löffler, 2015, S. 24-25).


Grammatik (Morphologie-Syntax)

Zusammenfassend erläutert Bunse (2014, S. 70), dass der Grammatikerwerb mit den ersten selbst produzierten Wörtern, Einwortsätzen/-äußerungen (z.B.: auf) beginnt. Nach und nach gelingt es den Kindern, einzelne Wörter zu längeren Äußerungen zu kombinieren, oder sie übernehmen ganze Phrasen; so entstehen Zwei- bis Dreiwortsätze/-äußerungen (z.B.: „Türe auf“), erklärt die Autorin. In der weiteren Entwicklung gelingt es, einfache, vollständige Sätze mit finitem Verb zu bilden und dabei die zielsprachliche Verbstellung im Hauptsatz zu beachten (Verbzweitstellung im Deutschen, z.B. „Ich mache Türe auf.“). Darauf folgt nach Bunse (2014, S. 70) das korrekte Produzieren von Nebensätzen (Verbletztstellung, z.B. „Ich mache die Tür auf, weil ich raus will.“).


Gebrauch von Sprache (Pragmatik-Kommunikation)

Die Pragmatik beschreibt nach Scharff-Rethfeld (2016, S. 16) den adäquaten Gebrauch von Sprache in verschiedenen sozialen Kontexten. In Anlehnung an Haid und Löffler (2015, S. 29-31) ist die erste kommunikative Fähigkeit das Turn-Taking (Sprecherwechsel). Das Kind lernt, dass eine Aktion, z.B. schreien oder lallen, eine Reaktion erzeugt. Die Autorinnen formulieren, dass die Kinder ab dem vierten Lebensmonat beginnen, ihre Aufmerksamkeit auf ein Ereignis bzw. ein Material mit der Bezugsperson zu teilen. Diese Dreiecksbeziehung zwischen Kind, Objekt und Bezugsperson wird von ihr Triangulierung genannt. Das Triangulieren ermöglicht nach Haid und Löffler (2015, S. 29-31) den Erwerb neuer Wörter, wenn die Bezugsperson die Dinge benennt, auf denen der Fokus liegt. Bunse (2014, S. 71-73) verweist darauf, dass das Kind im weiteren Verlauf – bis zu seinem zweiten Geburtstag – häufig noch in Monologen spricht. Für das dritte Lebensjahr fassen Haid und Löffler (2015, S. 30-31) zusammen, dass das Kind beginnt, Gespräche zu eröffnen, gezielt nachzufragen, Ereignisse zu erzählen, um Hilfe zu bitten, seine Zustimmung oder seinen Widerspruch zu erteilen. Im folgenden Lebensjahr entwickelt das Kind die Fähigkeit, von vergangenen oder zukünftigen Handlungen zu erzählen. Die Kommunikation ist damit nicht mehr an die unmittelbare Situation gebunden. Mit vier Jahren verbessert das Kind seine Fähigkeit, Ereignisse zu erzählen (Haid & Löffler, 2015, S. 30-31). Bunse (2016, S. 72-74) erweitert, dass das Kind die Fähigkeit erlangt, seine Gefühle von den Gefühlen anderer zu unterscheiden. Kommen Kinder in die Schule, entwickeln sie die Fähigkeit, Witze und Ironie zu verstehen (Haid & Löffler, 2015, S. 30).

Die dargestellten – eng miteinander verwobenen – sprachlichen Ebenen helfen dabei, den kindlichen Spracherwerb zu erklären, zu beobachten und zu fördern sowie bei Entwicklungsverzögerungen spezifische Maßnahmen zu ergreifen.

Entscheiden Sie, ob folgende Aussagen richtig oder falsch sind.

richtig
   
falsch

Um den ersten Geburtstag beherrschen Kinder in der Regel alle Vokale der Erstsprache.

Die ersten Konsonanten, die Kinder beherrschen, werden im hinteren Bereich des Mundes gebildet (m, n, p, b, d).

Das Produzieren von Wörtern geht dem Verstehen von Wörtern immer voraus.

Die Phase des schnellen Wortschatzwachstums setzt ein, wenn das Kind ca. 50 Wörter sprechen kann.

Der Grammatikerwerb beginnt mit den ersten selbst produzierten Wörtern.

Nachdem Kinder Zwei- bis Dreiwortsätze/-äußerungen sprechen, lernen sie anschließend Nebensätze (Verbletztstellung) zu bilden.

Das Dreieck der kommunikativen Triangulierung besteht aus Kind-Objekt-Bezugsperson.

Mit vier Jahren gelingt es dem Kind, von zukünftigen und vergangenen Ereignissen zu erzählen.

Die einzelnen Entwicklungsbereiche (Lautbildung und Lautverwendung, Wortbedeutung und Wortschatz, Grammatik) sind miteinander verknüpft.