Automatisierung und Digitalisierung – Einführung
Heutzutage ist es für uns selbstverständlich, dass wir in einem Wohngebäude jederzeit eine angenehme Raumtemperatur haben. Dies wird im Regelfall durch eine Zentralheizung sichergestellt, die zuverlässig über das ganze Jahr genügend warmes Wasser bereitstellt. Dies erfolgt ohne unser Zutun völlig selbsttätig durch die Zentralheizung – und damit automatisch.
Moderne Zweckgebäude wie Bürogebäude, Warenhäuser, Fabriken, Krankenhäuser, Stadien, Konzerthallen, Schulen und zunehmend auch Wohngebäude enthalten eine Vielzahl von technischen Einrichtungen, die ihre Nutzung erst ermöglichen. Dazu gehören die technischen Anlagen für die Versorgung (Heizung, Strom, Wasser, Luft, Internet), Entsorgung (Abwässer), aber auch Infrastruktureinrichtungen wie Aufzüge, Beleuchtung, Sonnenschutz (Jalousien), Türsprechanlagen, Schließsysteme für Innen- und Außentüren, Brand-/Einbruchmeldeanlagen und vieles mehr. Jedes dieser Systeme hat bestimmte Aufgaben zu erfüllen, die in der Technik mit dem Fachbegriff „Funktion“ bezeichnet werden.
Es ist nützlich, wenn ein technisches System seine Aufgaben möglichst selbst erledigt, in der Fachsprache also „seine Funktionen automatisiert sind“. Eine Jalousie kann beispielsweise heutzutage bereits bequem per Funkschalter herauf- oder heruntergefahren werden. Noch komfortabler ist es, wenn dies automatisch zu einer festgelegten Uhrzeit erfolgt oder sich jeden Tag an den Zeitpunkten für Sonnenaufgang oder Sonnenuntergang orientiert. Diese Automatik kann schon durch eine einfache elektronische Zeitschaltuhr problemlos erreicht werden.
Sind nun allerdings sehr viele solche Jalousien vorhanden, z.B. in einem großen Bürogebäude, dann ist es sinnvoll, die Einstellungen für eine solche Automatik zentral vorzunehmen. Damit können auch weitere Funktionen genutzt werden, z.B. kann festgestellt werden, ob eine Jalousie defekt ist. Oder für eine ganze Gebäudefassade kann anhand des Sonnenstandes für jedes Fenster einzeln berechnet werden, wie weit eine Jalousie heruntergefahren werden muss, damit die Sonne nicht zu stark hereinscheint.
Dies ist die Grundidee von Building Automation, auf Deutsch Gebäudeautomation. Mit diesem Begriff wird seit den 1980er Jahren die Vorstellung bezeichnet, dass möglichst viele technische Systeme im Gebäude ihre Funktionen selbsttätig durchführen – also „automatisch funktionieren“. Was sie tun, das muss allerdings vorher eingestellt werden, und der Begriff Gebäudeautomation beinhaltet auch die Vorstellung, dass diese Einstellungen für jedes einzelne System möglich sind. Nicht unbedingt von einer zentralen festen Stelle, sondern von irgendeiner Stelle, von der aus sich aber noch alle technischen Systeme erreichen lassen. Sobald die Systeme alle eingestellt sind und tun, was sie tun sollen – in der Fachsprache heißt dies „sie sind in Betrieb genommen“ – dann muss nur noch überwacht werden, ob es zu einem Problem kommt, z.B. einer Störung.
Gebäudeautomation erfolgt heutzutage dadurch, dass fast alle technischen Systeme in modernen Gebäuden bereits „smart“, also „intelligent“ sind und damit über ein Datennetz untereinander verbunden werden können. Damit ist gemeint, dass Anlagen wie Heizungen, Lüftungen, Wasserversorgung, Aufzüge sowie fest eingebaute Einrichtungen wie Türschlösser, Deckenlampen, Jalousien, Kippfenster aber auch bewegliche Einrichtungsgegenstände wie Fernseher und Krankenhausbetten über eingebaute Kleinstcomputer verfügen. Diese Kleinstcomputer können Programme verarbeiten, Daten speichern und mit anderen Computern vernetzt werden, d.h. Daten austauschen.
Vernetzung bedeutet zunächst nur, dass die smarten Systeme entweder über elektrische Leitungen („Kabel“) verbunden sind, oder aber über Antennen Funkwellen durch die Luft senden oder empfangen. Damit ist aber noch nicht festgelegt, wie die einzelnen Systeme sich Daten zuschicken können und vor allem, welches System wann und mit wem „reden“ darf, damit sich nicht alle stören.
Eine der einfachsten und robustesten Möglichkeiten, Daten über ein Netz auszutauschen, ist ein serieller Bus. Dieser funktioniert gut, wenn wenige Systeme – die nahe beieinander sind – Daten miteinander austauschen. Hier ist meistens wie in der Schule geregelt, wer „sprechen“ darf: Eine Master-Station erteilt das Wort.
Vielseitiger, aber auch technisch aufwändiger, ist die Vernetzung über das Internetprotokoll, kurz IP genannt. Es hat den Vorteil, dass sehr viele Systeme an vielen verschiedenen Stellen in einer Automation zusammengeschaltet werden können.
Viele benutzen täglich einen seriellen Bus, ohne sich darüber bewusst zu sein, nämlich den seriellen Universalbus, auf Englisch Universal Serial Bus oder kurz USB. Damit kann genauso ein kostengünstiger Miniaturcomputer mit viel Dauerspeicher („ein USB Stick“) an einen PC angeschlossen werden wie ein Smartphone mit Daten oder mit Strom versorgt werden kann. Dafür ist seine Länge begrenzt auf wenige Meter.
In der Gebäudeautomation werden hauptsächlich eigene Bussysteme verwendet, die für die verschiedene Zwecke wie Heizungssteuerung, Jalousiemotoren, Lichtanlagen besonders gut geeignet sind. Aber auch hier wird immer mehr das Internetprotokoll genutzt. Sind die automatischen Gebäudefunktionen voll untereinander über das Internetprotokoll vernetzt und erstreckt sich diese Vernetzung auch über das weltweite Internet auf die Umwelt, so wird von Smart Building Automation gesprochen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass moderne Gebäude sowohl nach innen zu den Anlagen, Einrichtungen und Nutzern als auch nach außen zum Rest der Welt hochgradig digital vernetzt sein werden. Wichtige übergeordnete Ziele, wie z.B. die für eine Klimaneutralität notwendige Umstellung der Energienutzung oder die Schaffung von altersgerechten Lebensräumen, lassen sich nur so umsetzen.
Aus diesem Grund bildet Smart Building Engineering auch einen Studienschwerpunkt. In den Grundlagenmodulen des Studiums werden zunächst die wichtigsten Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung (TGA) vorgestellt und die Möglichkeiten, diese automatisch zu steuern. Zu den Grundlagen gehört ein Wissen und Verständnis für digitale Systeme und deren Vernetzung. Hierzu gehören die folgenden Aufgabengebiete Digitale Lichttechnik und Raumlufttechnische Anlagen, die beispielhaft für das Grundstudium stehen.
In der Vertiefung im Hauptstudium werden die Systeme im Zusammenhang betrachtet und auch das häufig vernachlässigte Zusammenwirken mit den Nutzer*innen eines Gebäudes berücksichtigt. Es wird gezeigt, was ein Smart Building beinhaltet, wie es geplant und betrieben wird. Es geht auch darum, neue Konzepte verstehen zu können. Das Aufgabengebiet Daylight Harvesting zeigt beispielhaft, wie sich in einem modernen Konzept Nachhaltigkeit mit den Bedürfnissen der Gebäudenutzer*innen verbinden lässt.
Das Studium soll dazu befähigen, sich im späteren Berufsleben mit Fachleuten aus dem Ingenieurwesen oder der Planung auf diesen Gebieten kompetent austauschen zu können, damit eigene Vorstellungen bestmöglich umgesetzt werden.
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