Theoretische Philosophie – Descartes „Meditationen“ I und II
Dieses Aufgabengebiet wurde erstellt von Sofie Vaas & Lara Dix.
Descartes stellt eine zentrale Frage der Erkenntnistheorie: Was können wir wissen? Genauer fragt er dann: Woher wissen wir, dass unsere Sinne uns nicht täuschen? Woher wissen wir, dass wir nicht gerade träumen? Und was, wenn es einen bösen Dämon gibt, der uns über alles täuscht? Mittels des methodischen Zweifels wirft Descartes erst einmal alle seine Überzeugungen um und kommt zu dem Zwischenfazit, dass nichts gewiss ist.
Wer nun Angst bekommt, dass keine unserer Überzeugungen wirklich sicher sein kann, sollte sich die ersten beiden Meditationen genauer anschauen. Denn dort wird Descartes ein Fundament finden, auf dem wir unsere Überzeugungen aufbauen können. (Vgl. Perler: Strategischer Zweifel, S. 12-13)
Sie werden in den folgenden Aufgaben durch einzelne Ausschnitte aus den ersten beiden Meditationen geführt. Anhand dieser Passagen soll Ihnen exemplarisch deutlich gemacht werden, welche Schritte Descartes in seinem radikalen Zweifel durchläuft und wie er anschließend sein Fundament aufbaut. Zudem zeigen Ihnen die folgenden Aufgaben, wie man an einen komplexen philosophischen Text strukturiert heranrangehen kann.
Descartes wird nach einer Standardzitierweise zitiert. Diese folgt der Ausgabe von Adam und Tannery. Das wird durch das Kürzel AT angegeben. Um welchen Text aus Descartes Oeuvre es sich dann handelt, zeigt die römische Zahl an: VII steht für die Meditationen. Die weiteren Zahlen sind die Seitenzahlen.
Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.
Aufgabe 1 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITTE 1-3
Woran man zweifeln kann.
„1. Schon vor einer Reihe von Jahren habe ich bemerkt, wieviel Falsches ich in meiner Jugend als wahr habe gelten lassen und wie zweifelhaft alles ist, was ich hernach darauf aufgebaut, und daß ich daher einmal im Leben alles von Grund aus umstoßen und von den ersten Grundlagen an neu beginnen müsse, wenn ich endlich einmal etwas Festes und Bleibendes in den Wissenschaften ausmachen wolle. […]
3. Und da trifft es sich günstig, daß ich heute meinen Geist von allen Sorgen befreit habe, daß ich mir eine sichere Muße in einsamer Zurückgezogenheit verschafft habe: so will ich denn endlich ernsten und freien Sinnes zu diesem allgemeinen Umsturz meiner bisherigen Meinungen schreiten.“ (AT VII 17-18)
Was hat Descartes festgestellt und was hat er nun vor? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen Perler: Strategischer Zweifel, S. 12-13)
Lösungsvorschlag
Er hat festgestellt, dass er viele falsche Meinungen hat und möchte nun einen Umsturz seiner bisherigen Meinungen vornehmen. (Vgl. AT VII 17-18)
Aufgabe 2 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 4
„4. Dazu wird indessen nicht nötig sein, sie alle als falsch aufzuzeigen, denn das würde ich vielleicht niemals erreichen können; sondern da schon die gemeine Vernunft rät, in ebenso vorsichtiger Weise bei dem nicht ganz Gewissen und Unzweifelhaften wie bei dem offenbar Falschen die Zustimmung zurückzuhalten, so wird es hinreichen, sie alle zurückzuweisen, wenn ich in einer jeden irgendeinen Grund zum Zweifel antreffe. Auch wird es dazu nicht unumgänglich notwendig sein, sie alle einzeln durchzugehen, was eine endlose Arbeit wäre, sondern, da nach der Untergrabung der Grundlagen alles darauf Gebaute von selbst zusammenstürzt, so werde ich den Angriff sogleich auf eben die Prinzipien richten, auf die sich alle meine sonstigen Meinungen stützten.“ (AT VII 18)
Möchte Descartes dafür nun jede Überzeugung einzeln anzweifeln? Welche Antwortmöglichkeit ist im Hinblick auf den ausgewählten Textausschnitt zutreffend? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler: Strategischer Zweifel, S. 11)
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Ja, Descartes möchte jede Meinung einzeln anzweifeln.
Descartes sagt uns, dass das einzelne Anzweifeln der Überzeugungen „eine endlose Arbeit“ (AT VII 18) wäre. Er will den „Angriff sogleich auf eben die Prinzipien richten, auf die sich alle meine sonstigen Meinungen stützten.“ (AT VII 18)
Nein, wir müssen nicht jede Überzeugung einzeln anzweifeln, weil manche wichtiger sind als andere. Von manchen Überzeugungen hängt gar nichts ab. Wir müssen nur die wichtigen in Frage stellen.
Descartes nimmt keine solche Hierarchisierung vor.
Es wäre nicht möglich alle Überzeugungen einzeln anzuzweifeln. Wir haben unendlich viele Überzeugungen aber nur eine endliche Lebenszeit. Wir müssen das Prinzip anzweifeln, auf das sich unsere Überzeugungen stützen. Wenn das Prinzip anzweifelbar ist, dann auch die Überzeugungen, die auf diesen beruhen.
Descartes sagt uns, dass das einzelne Anzweifeln der Überzeugungen „eine endlose Arbeit“ (AT VII 18) wäre. Er will den „Angriff sogleich auf eben die Prinzipien richten, auf die sich alle meine sonstigen Meinungen stützten.“ (AT VII 18)
Aufgabe 3 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 5
„5. Alles nämlich, was ich bisher am ehesten für wahr angenommen, habe ich von den Sinnen oder durch Vermittelung der Sinne empfangen. Nun aber bin ich dahinter gekommen, daß diese uns bisweilen täuschen, und es ist ein Gebot der Klugheit, niemals denen ganz zu trauen, die auch nur einmal uns getäuscht haben.“ (AT VII 18)
Woran zweifelt Descartes hier zuerst? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler, Strategischer Zweifel, S. 14-15)
Lösungsvorschlag
Er zweifelt an der Verlässlichkeit der Sinne. Sie täuschen uns manchmal, beispielsweise sehen Gegenstände in der Ferne ganz klein aus, während sie in Wirklichkeit viel größer sind. Wenn die Sinne uns manchmal täuschen, kann man sich gar nicht auf sie verlassen. (Vgl. AT VII 18)
Aufgabe 4 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 7
„7. Vortrefflich! — Als ob ich nicht ein Mensch wäre, der des Nachts zu schlafen pflegt, und dem dann genau dieselben, ja bisweilen noch weniger wahrscheinliche Dinge im Traume begegnen, wie jenen im Wachen! Wie oft doch kommt es vor, daß ich alle jene gewöhnlichen Begegnisse, wie daß ich hier bin, daß ich, mit meinem Rocke bekleidet, am Kamin sitze, mir während der Nachtruhe einbilde, während ich doch entkleidet im Bette liege! — Aber jetzt schaue ich doch sicher mit wachen Augen auf dieses Papier, dies Haupt, das ich hin und her bewege, ist doch nicht im Schlaf, mit Vorbedacht und Bewußtsein strecke ich meine Hand aus und fühle das! Im Schlafe würde mir das doch nicht so deutlich entgegentreten! — Als wenn ich mich nicht entsänne, daß ich auch sonst durch ähnliche Gedankengänge im Traume irregeführt worden bin!
Denke ich einmal aufmerksamer hierüber nach, so sehe ich ganz klar, daß niemals Wachen und Traum nach sicheren Kennzeichen unterschieden werden können, — so daß ich ganz betroffen bin, und diese Betroffenheit selbst mich beinahe in der Meinung bestärkt, daß ich träume.“ (AT VII 19)
Descartes beschreibt im oben zitierten Abschnitt zunächst einige Sinneswahrnehmungen, die ihm unzweifelhaft erscheinen. Das sind Meinungen über ihn selbst und seinen Körper, wie zum Beispiel, dass er das Papier in seinen Händen ertastet oder die Wärme des Kamins spürt. (Vgl. AT VII 19)
Wie kommt Descartes dann dazu, auch diese Meinungen als zweifelhaft anzusehen? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler: Strategischer Zweifel, S. 19)
Lösungsvorschlag
Descartes legt dar, dass es möglich ist, dass er im Moment einfach träumt, dass er diese Wahrnehmungen hat. Es gibt kein sicheres Kriterium, um zwischen Traum und Realität zu unterscheiden. Damit sind auch die Meinungen über ihn selbst und seinen eigenen Körper anzweifelbar. (Vgl. AT VII 19)
Aufgabe 5 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITTE 8-9
„8. Sei es denn: wir träumen! […] [Man muss aber] doch notwendig gestehen, daß wenigstens gewisse andere, noch einfachere und allgemeinere Dinge wirklich vorhanden sind, mit denen, als den wirklichen Farben, alle jene, seien es wahre oder falsche Bilder von Dingen, die wir in unserem Bewußtsein haben, sich in uns malen. Von dieser Art scheinen zu sein die Natur des Körpers überhaupt und seine Ausdehnung, ferner die Gestalt der ausgedehnten Dinge, ebenso die Qualität, d. i. ihre Größe und Zahl, ebenso der Ort, an welchem sie existieren, die Zeit, während welcher sie dauern und dergleichen.
9. Man darf daher hieraus wohl mit Recht schließen, daß zwar die Physik, die Astronomie, die Medizin und alle anderen Wissenschaften, die von der Betrachtung der zusammengesetzten Dinge abhängen, zweifelhaft sind, daß dagegen die Arithmetik, die Geometrie und andere Wissenschaften dieser Art, die nur von den allereinfachsten und allgemeinsten Gegenständen handeln und sich wenig darum kümmern, ob diese in der Wirklichkeit vorhanden sind oder nicht, etwas von zweifelloser Gewißheit enthalten. Denn ich mag wachen oder schlafen, so ist doch stets 2 + 3 = 5, das Quadrat hat nie mehr als vier Seiten, und es scheint unmöglich, daß so augenscheinliche Wahrheiten in den Verdacht der Falschheit geraten können.“ (AT VII 19-20)
Descartes sagt in den folgenden Abschnitten, dass auch wenn wir nur träumen, wir unsere Vorstellungen im Traum aus bestimmten Bestandteilen herstellen. Er vergleicht das mit einem Maler, der auch wenn er etwas ganz Abstraktes zeichnet, mit bestimmten wirklichen Farben malen muss. Auch geträumte Gegenstände müssen aus gewissen Grundbestandteilen bestehen, die eine Entsprechung in der Wirklichkeit haben. Diese einfachsten Bestandteile sind: Farben, Ausdehnung, Gestalt, Quantität (Größe und Anzahl), Ort und Zeit. Auch wenn ich von einem Gegenstand nur träume, stelle ich ihn mir immer in Raum und Zeit verortet, ausgedehnt und mit einer bestimmten Farbe vor. (Vgl. AT VII 19-20)
Was hält also bei Descartes dem Traumargument stand? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen Perler: Strategischer Zweifel, S. 22-23)
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Alles, was im Wachzustand geschieht und nicht geträumt wird.
Für Descartes gibt es kein Kriterium, um zwischen Wach- und Traumzustand zu unterscheiden. (Vgl. AT VII 20)
Es sind die Wissenschaften, die sich mit den einfachen Bestandteilen beschäftigen: Arithmetik und Geometrie.
Wissenschaften, die nur aus den einfachsten gewissen Bestandteilen bestehen, sind für Descartes gewiss, nicht jedoch die Wissenschaften, die von diesen einfachen Dingen abhängen, wie etwa Medizin und Physik. (Vgl. AT VII 20)
Es sind die Wissenschaften, die von der Betrachtung der zusammengesetzten Dinge abhängen, wie Physik und Medizin.
Wissenschaften, die nur aus den einfachsten gewissen Bestandteilen bestehen, sind für Descartes gewiss, nicht jedoch die Wissenschaften, die von diesen einfachen Dingen abhängen, wie etwa Medizin und Physik. (Vgl. AT VII, 20)
Es sind einfache mathematische Aussagen wie 2+3=5.
2+3=5 ist eine arithmetische Aussage. Descartes, sagt dass 2+3 immer fünf ergibt, egal ob im Traum oder im Wachzustand. Somit ist diese Aussage nicht bezweifelbar. (Vgl. AT VII, 20)
Aufgabe 6 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 10
„10. Es ist indessen meinem Geiste eine alte Meinung eingeprägt, daß ein Gott sei, der alles vermag, und von dem ich so, wie ich bin, geschaffen sei. Woher weiß ich aber, daß er nicht bewirkt hat, daß es überhaupt keine Erde, keinen Himmel, kein ausgedehntes Ding, keine Gestalt, keine Größe, keinen Ort gibt und daß dennoch dies alles genau so wie jetzt mir da zu sein scheint; oder vielmehr, daß — so wie ich urteile, daß bisweilen auch andere sich in dem irren, was sie aufs vollkommenste zu wissen meinen — so auch ich mich täusche, so oft ich 2 und 3 addiere oder die Seiten des Quadrats zähle, oder was man sich noch leichteres denken mag.“ (AT VII 21)
Wie kommt Descartes darauf, dass wir uns auch über einfache Aussagen, wie 2+3=5 täuschen könnten? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler: Strategischer Zweifel, S. 23)
Er stellt fest, dass Gott uns über solche Dinge täuscht.
Descartes stellt hier nichts fest. Er macht schlichtweg Vermutungen, wie es sein könnte. Er stellt sich nur etwas vor. (Vgl. AT VII 21)
Er stellt sich vor, dass Gott uns über solche Dinge täuscht.
Descartes überlegt sich, was wäre, wenn der allmächtige Gott uns über die einfachen Dinge täuscht. (Vgl. AT VII 21)
Er hat erkannt, dass Gott uns Bedingungen geschaffen hat, die es uns letztendlich verunmöglichen zwischen Wahrheit und Täuschung zu unterscheiden.
Descartes spricht nicht von ‚erkennen‘. Er stellt sich lediglich etwas vor. Von Bedingungen, die Gott uns geschaffen hat, ist an dieser Stelle auch nicht die Rede. Descartes stellt sich vor, dass Gott uns direkt über die einfachsten Dinge täuscht. (Vgl. AT VII 21)
Aufgabe 7 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 11
„11. Aber vielleicht hat Gott nicht gewollt, daß ich mich so täusche, heißt er doch der Allgütige? — Allein wenn es mit seiner Güte unvereinbar wäre, daß er mich so geschaffen, daß ich mich stets täusche, so schiene es doch ebensowenig dieser Eigenschaft entsprechend, daß ich mich bisweilen täusche, welch letzteres sicherlich doch der Fall ist.“ (AT VII 21)
Wieso ändert Descartes hier seine Annahme, dass es Gott ist, der ihn über arithmetische und geometrische Aussagen täuscht? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler: Strategischer Zweifel, S. 23-24)
Weil es keinen Gott gibt.
Weil es eine begriffliche Inkonsistenz des Gottesbegriffs wäre.
Weil Gott nicht allmächtig genug ist, um uns stets zu täuschen.
Descartes erklärt, dass Gott uns nicht täuschen kann, aufgrund des Gottesbegriffs: Gott ist allgütig. Ein allgütiger Gott hat keine schlechten Absichten, deshalb kann es nicht sein, dass er uns täuscht. (Vgl. AT VII 21)
Aufgabe 8 von 12
ERSTE MEDITATION: ABSCHNITT 16
„16. So will ich denn annehmen, daß nicht der allgütige Gott, die Quelle der Wahrheit, sondern, daß irgendein böser Geist, der zugleich höchst mächtig und verschlagen ist, allen seinen Fleiß daran gewandt habe, mich zu täuschen; ich will glauben, Himmel, Luft, Erde, Farben, Gestalten, Töne und alle Außendinge seien nichts als das täuschende Spiel von Träumen, durch die dieser meiner Leichtgläubigkeit Fallen stellt; mich selbst will ich so ansehen, als hätte ich keine Hände, keine Augen, kein Fleisch, kein Blut, überhaupt keine Sinne, sondern glaubte nur fälschlich, dies alles zu besitzen. Und ich werde hartnäckig an dieser Art der Betrachtung festhalten und werde so zwar nicht imstande sein, irgendeine Wahrheit zu erkennen, aber doch entschlossenen Sinnes mich in acht nehmen, soviel an mir liegt, nichts Falschem zuzustimmen, noch von jenem Betrüger mich hintergehen zu lassen, so mächtig und so verschlagen er auch sein mag.“ (AT VII 22)
Descartes glaubt nicht, dass es Gott ist, der ihn über arithmetische und geometrische Aussagen täuscht. Wenn es der allgütige Gott nicht ist, der uns täuscht, wer ist es laut Descartes dann (Vgl. AT VII 22)? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Perler: Strategischer Zweifel, S. 23-24)
Es ist immer noch Gott. Nur hat Descartes festgestellt, dass er nicht mehr allgütig ist.
Descartes etabliert eine zweite Macht, die eines Täuschergeistes. Die uns dazu bringt, dass wir uns täuschen.
Descartes glaubt an einen Gott, der allmächtig und allgütig ist. Wenn er mich aber so schafft, dass ich mich ab und an täusche, dann ist er nicht allgütig. Ich täusche mich aber manchmal, daher kann er mich auch so geschaffen haben, dass ich mich beständig täusche. Dieser Täuschergott täuscht uns auch über geometrische und arithmetische Aussagen. (Vgl. AT VII 22)
Aufgabe 9 von 12
ZWEITE MEDITATION: ABSCHNITTE 1-3
Über die Natur des menschlichen Geistes; daß er leichter erkennbar als der Körper.
„1. Die gestrige Betrachtung hat mich in Zweifel gestürzt, die so gewaltig sind, daß ich sie nicht mehr vergessen kann, und von denen ich doch nicht sehe, in welcher Weise sie zu lösen seien. […]
3. Aber woher weiß ich denn, daß es nicht etwas von allem bereits aufgezählten Verschiedenes gibt, an dem zu zweifeln auch nicht der geringste Anlass vorliegt? Gibt es etwa einen Gott, oder wie ich sonst den nennen mag, der mir diese Vorstellungen (cogitationes) einflößt? — Weshalb aber sollte ich das annehmen, da ich doch am Ende selbst ihr Urheber sein könnte! Also wäre doch zum mindesten ich irgend etwas? Indessen, — ich habe bereits geleugnet, daß ich irgendeinen Sinn, irgendeinen Körper habe. Doch hier stutze ich: was soll daraus folgen? Bin ich etwa so an den Körper und die Sinne gefesselt, daß ich ohne sie nicht sein kann? Indessen, ich habe mich überredet, daß es schlechterdings nichts in der Welt gibt: keinen Himmel, keine Erde, keine Geister, keine Körper, also doch auch wohl mich selbst nicht? Keineswegs; ich war sicherlich, wenn ich mich dazu überredet habe. — Aber es gibt einen, ich weiß nicht welchen, höchst mächtigen und verschlagenen Betrüger, der mich geflissentlich stets täuscht. — Nun, wenn er mich täuscht, so ist es also unzweifelhaft, daß ich bin. Er täusche mich, soviel er kann, niemals wird er es doch fertig bringen, daß ich nichts bin, solange ich denke, daß ich etwas sei. Und so komme ich, nachdem ich derart alles mehr als zur Genüge hin und her erwogen habe, schließlich zu dem Beschluß, daß dieser Satz: ‚Ich bin, ich existiere‘, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“ (AT VII 23-25)
Descartes sucht nun ein Fundament des Wissens, das unbezweifelbar ist. Dieses Fundament muss dem Täuschergott standhalten. (Vgl. AT VII 23-25) Wie lautet dieses Fundament, das selbst dem Täuschergott standhält? (Vgl. AT VII 24-25) (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Kemmerling: Das Existo, S. 32-34, S. 37-39)
Lösungsvorschlag
Das Fundament lautet: ‚Ich existiere.‘ Auch wenn ein Täuschergott mich täuscht, so Descartes, dann kann ich nicht daran zweifeln, dass ich existiere, wann immer ich denke, dass ich existiere. Also existiere ich, wann immer ich denke, dass ich existiere. Man kann dann auch nicht bezweifeln, dass man denkt, weil das Denken das Zweifeln einschließt. Wenn ich zweifele, dann denke ich und wenn ich denke, dann existiere ich auch. Damit hat Descartes den archimedischen Punkt der Erkenntnis gefunden. (Vgl. AT VII 24-25)
Aufgabe 10 von 12
ZWEITE MEDITATION: ABSCHNITTE 4-9
„4. Noch erkenne ich aber nicht zur Genüge, wer ich denn bin, der ich jetzt notwendig bin, und ich muß mich demnächst hüten, daß ich nicht etwa unvorsichtigerweise etwas anderes für mich selbst ansehe und auf diese Weise sogar in der Erkenntnis abirre, von der ich behaupte, sie sei die gewisseste und einleuchtendste von allen. Ich will deshalb jetzt von neuem erwägen, was ich denn früher zu sein geglaubt habe, bevor ich noch auf diese Gedanken verfallen war. Und davon will ich denn alles abziehen, was durch die oben beigebrachten Gründe auch nur im geringsten hat erschüttert werden können, so daß schließlich genau nur das übrigbleibt, was von unerschütterlicher Gewißheit ist.
[…]
8. Wie verhält es sich aber mit den Eigenschaften, die ich der Seele zuschrieb, so mit dem Sich-Ernähren und dem Gehen? Nun, da ich jetzt überhaupt keinen Körper habe, so sind auch das nichts als Erdichtungen. Und wie steht es mit dem Empfinden? Aber auch dieses kommt ohne Körper nicht zustande, auch glaubte ich sehr vieles während des Traumes zu empfinden, von dem ich hernach bemerkte, daß ich es nicht empfunden hatte. Und das Denken? Hier finde ich nun: Das Denken ist's, es allein kann von mir nicht getrennt werden: Ich bin, ich existiere, das ist gewiß.
9. Wie lange aber bin ich? Nun, so lange, als ich denke. Denn es wäre vielleicht möglich, daß ich, wenn ich gänzlich aufhörte zu denken, alsbald auch aufhörte zu sein. Für jetzt lasse ich aber nichts zu, als was notwendig wahr ist! Ich bin also genau nur ein denkendes Ding (res cogitans), d.h. Geist (mens), Seele (animus), Verstand (intellectus), Vernunft (ratio) — lauter Ausdrücke, deren Bedeutung mir früher unbekannt war. Ich bin aber ein wahres und wahrhaft existierendes Ding, aber was für ein Ding? Nun, ich sagte es bereits — ein denkendes.“ (AT VII 25-27)
Descartes hat nun also gefolgert, dass er existiert, wann immer er denkt. In den ausgelassenen Abschnitten widmet er sich der Frage, wer oder was das Ich denn ist. Dazu schaut er sich an, für was er sein Ich bisher gehalten hat und ob das nach den neuen Ansichten noch möglich ist. Ein rationales Lebewesen ist er nicht. Descartes betrachtet dann den Körper, von dem er ja früher angenommen hat, dass er zu ihm gehört, und listet auf, als was er den Körper zuvor wahrgenommen hat (Vgl. AT VII 26). Der Körper, wie er ihn sich vorgestellt hat, ist anzweifelbar. Anschließend betrachtet er die Eigenschaften, die er vorher der Seele zugeschrieben hat. Auch diese können nicht weiter bestehen. (Vgl. AT VII 27)
Welcher Teil der Seele bleibt aber bestehen? Wie und als was beschreibt Descartes das Ich? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Kemmerling: Das Existo, S. 39, 42-43)
Lösungsvorschlag
Das Ich ist bei Descartes ein denkendes Ding (res cogitans). Es ist etwas, das Gedanken hat. (Vgl. AT VII 27)
Aufgabe 11 von 12
ZWEITE MEDITATION: ABSCHNITT 14
„14. Was aber bin ich demnach? Ein denkendes Ding und was heißt das? Nun, — ein Ding, das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint, will, nicht will und das auch Einbildung und Empfindung hat. Fürwahr, das ist nicht wenig, wenn dies alles zu mir gehören soll! Doch wie sollte es nicht? Bin nicht ich selbst es, der jetzt fast an allem zweifelt, der dennoch manches einsieht, der behauptet, dies eine sei wahr, der das übrige leugnet, der mehr wissen möchte, der sich nicht täuschen lassen will, der vieles, selbst gegen seinen Willen, in der Einbildung hat, vieles auch wie von den Sinnen kommend bemerkt? Mag ich immerhin stets schlafen, mag immerhin mein Schöpfer, so viel an ihm liegt, mich täuschen, — ist nicht dies alles trotzdem ebenso wahr, wie daß ich bin? Ist irgendetwas davon von meinem Bewußtsein trennbar? oder läßt sich von irgend etwas davon behaupten, daß es von meinem Ich getrennt sei? Denn daß ich es bin, der zweifelt, der einsieht, der will, das ist so offenbar, daß es durch nichts noch augenscheinlicher gemacht werden kann. Ich bin aber doch auch derselbe Ich, der ich etwas in der Einbildung habe; denn wenngleich etwa, wie ich angenommen habe, nichts von dem, was sich der Einbildung darstellt, wahr ist, so besteht doch diese Kraft der Einbildung wirklich und macht einen Teil meines Bewußtseins aus. Schließlich ist es derselbe Ich, welcher wahrnimmt, d.h. welcher die körperlichen Dinge als durch die Sinne gegeben bemerkt. Ich sehe doch offenbar jetzt das Licht, ich höre das Geräusch, fühle die Wärme; aber nein — das ist doch falsch, denn ich schlafe ja. Aber es scheint mir doch, als ob ich sähe, hörte, Wärme fühlte das kann nicht falsch sein, das ist es eigentlich, was an mir Empfinden genannt wird, und dies, genau so verstanden ist ein Bewußtsein.“ (AT VII 28)
Descartes führt nun aus, worin genau das denkende Ding besteht, als das er sich selbst versteht. (Vgl. AT VII 28)
Welche Aspekte schreibt er seinem Ich zu? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Kemmerling: Das Existo, S. 46)
Die Aspekte des denkenden Dings sind: Urteilsfähigkeit, Einbildungskraft, Empfindungen, Volitionen.
Descartes sagt: „Was aber bin ich demnach? Ein denkendes Ding und was heißt das? Nun, — ein Ding, das zweifelt, einsieht, bejaht, verneint, will, nicht will und das auch Einbildung und Empfindung hat.“ Diese Eigenschaften sind Arten des Denkens. Alle diese Eigenschaften gehören also zu dem Ich dazu. (Vgl. AT VII 28)
Die Aspekte des denkenden Dings sind: Urteilsfähigkeit, Einbildungskraft, Empfindungen, Erkenntnisfähigkeit.
Die Erkenntnisfähigkeit nennt Descartes nicht. (Vgl. AT VII 28)
Die Aspekte des denkenden Dings sind: Einbildungskraft, Empfindungen, Volitionen, Enttäuschung.
Die Enttäuschung nennt Descartes nicht. (Vgl. AT VII 28)
Aufgabe 12 von 12
ZWEITE MEDITATION: ABSCHNITTE 23-24
„23. Was aber soll ich von diesem Geiste selbst oder von meinem Ich sagen, denn bis jetzt rechne ich nichts anderes zu mir selbst als meinen Geist? Ich, der ich dieses Wachs so deutlich zu erkennen meine, sollte ich nicht mich selbst noch viel wahrer, viel gewisser nicht nur, sondern auch viel deutlicher und einleuchtender erkennen? Denn wenn ich urteile, daß das Wachs existiert, weil ich es sehe, so folgt doch eben daraus, daß ich es sehe, weit augenscheinlicher, daß ich selbst existiere, eben weil ich es sehe. Denn es kann sehr wohl sein, daß dies, was ich sehe, nicht wirklich Wachs ist, es kann sogar sein, daß ich überhaupt keine Augen habe, etwas zu sehen, aber es ist offenbar unmöglich, daß, während ich sehe, oder — was ich für jetzt nicht unterscheide — während ich das Bewußtsein habe, zu sehen, ich selbst, der ich dies Bewußtsein habe, nicht irgendetwas bin. In ähnlicher Weise, wenn ich urteile, daß das Wachs existiere, weil ich es betaste, so folgt daraus wiederum dasselbe, nämlich, daß ich bin. Oder wenn daraus, weil ich es in der Einbildung habe, oder aus sonst irgendeinem Grunde, so folgt offenbar wieder dasselbe. Ich kann aber eben das, was ich hier vom Wachs bemerke, auch auf alles übrige, was außer mir ist, anwenden. Sollte aber weiterhin die Erkenntnis des Wachses nur darum deutlich scheinen, weil es mir nicht nur durch das Gesicht, oder durch den Tastsinn, sondern durch eine Reihe von Ursachen bekannt geworden ist, um wieviel deutlicher muß, wie man zugeben wird, ich jetzt mich selber erkennen, da dieselben Gründe, die zur Erkenntnis des Wachses oder irgendeines sonstigen Körpers beitragen, alle noch besser die Natur meines Geistes beweisen. Aber es gibt überdies noch so vieles andere, was meinem Geiste selbst eigen ist und wonach man zu einer deutlicheren Erkenntnis von ihm gelangen kann, daß jenes alles, was sich vom Körper her auf sie mit erstreckt, dagegen kaum in Anrechnung zu bringen ist.
24. Und sieh da! So bin ich schließlich ganz von selbst dahin gekommen, wo ich hinaus wollte. Denn da ich jetzt weiß, daß ja selbst die Körper nicht eigentlich durch die Sinne oder durch die Fähigkeit der Einbildung, sondern einzig und allein durch den Verstand erfaßt werden, auch nicht dadurch, daß man sie betastet oder sieht, sondern, daß man sie denkt: so erkenne ich ganz offenbar, daß ich nichts leichter und augenscheinlicher erfassen kann — als meinen Geist. Doch da man sich der Gewohnheit einer eingewurzelten Meinung nicht so schnell entschlagen kann, so scheint es mir gut, hier einzuhalten, damit sich diese neu erworbene Erkenntnis durch längeres Nachdenken meinem Gedächtnis tiefer einprägt.“ (AT VII 33)
Descartes betrachtet ein Stück Wachs und beschreibt alle seine Eigenschaften. Diese Eigenschaften verliert es, wenn man es ans Feuer hält. Dennoch erkennen wir, dass es immer noch dasselbe Wachs ist. (Vgl. AT VII 30) Wir sagen zwar: ‚ich sehe, dass das Wachs da ist ’, aber eigentlich erfassen wir, dass das Wachs da ist, nur im Denken, nicht aber über die Sinneswahrnehmung, denn diese können sich ja ändern und trotzdem können wir feststellen, dass es dasselbe Wachs ist. Wir urteilen also, dass das Wachs da ist, wir erkennen es durch den Verstand. Damit das Wachs erkannt werden kann, braucht es einen menschlichen Geist. (Vgl. AT 30-31).
Was verdeutlicht Descartes dann am Wachs-Beispiel (Vgl. AT VII 33)? (Vgl. zu dieser Aufgabe und den Lösungsvorschlägen, Kemmerling: Das Existo, S. 50-53)
Lösungsvorschlag
Aus der Tatsache, dass ich das Wachs durch meinen Verstand erfasse, folgt, dass ich existiere. Denn es muss mich ja geben, der ich in meinem Denken urteile, dass das Wachs da ist. Somit erkenne ich mich selbst deutlicher, als das Stück Wachs, da dieses immer noch eine Täuschung sein könnte. Dass ich jedoch, der ich denke, dass dieses Stück Wachs existiert, selbst existiere, ist unbezweifelbar. (Vgl. AT VII 33)