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Geschichtsdidaktik und Public History – Aufgaben

Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 1

Abb. 1: Kolonialausstellung in Stuttgart 1928
Quelle: Stadtarchiv Stuttgart (Signatur 9400/2483)

Geschichtsdidaktik ist die Wissenschaft vom historischen Lernen und befasst sich mit dem Geschichtsbewusstsein in der Gesellschaft weit über den Geschichtsunterricht hinaus (vgl. Jeismann 1977, S. 12).

Im Studium lernen künftige Geschichtslehrer*innen beispielsweise auch Methoden, wie sich mit verschiedenen Medien historisch lernen lässt. Dabei wird besonderes Augenmerk darauf gelegt, die Lernprozesse der Schüler*innen genau zu beobachten und diagnostizieren zu lernen. Angehende Lehrkräfte üben beispielsweise, wie sich geschichtsbezogene Aussagen der Lernenden einordnen und beurteilen lassen, um auf dieser Basis den weiteren Lernprozess steuern zu können oder Hilfestellung zu leisten.


Teilprozesse des historischen Lernens (vgl. Schönemann 2012, S. 102-104):

  • Sachanalyse: Der Sachverhalt wird beschrieben und erschlossen.
  • Sachurteil: Die Ergebnisse der Sachanalyse werden interpretiert, mit anderen Sachverhalten in Verbindung gebracht und die Erkenntnisse werden in einen größeren Zusammenhang von Ursache und Wirkung eingeordnet.
  • Werturteil: Schüler*innen stellen eine Verbindung von ihrem eigenen Standpunkt ausgehend zum Sachverhalt her und beurteilen ihn aufgrund ihrer persönlichen Einstellung. Sie wenden dieses Werturteil für gegenwärtige und zukünftige Problemsituationen an.

Ordnen Sie den Teilprozessen des historischen Lernens die passenden Aussagen der Schüler*innen zu.

Das Plakat wirbt für eine Kolonialausstellung, die über zwei Monate in den Stuttgarter Gewerbehallen und auf dem Gelände des Stadtgartens stattfand. Das Plakat zeigt zwei halbbekleidete, offenbar afrikanische Männer mit einem Speer und einem großen Palmblatt im Hintergrund.

Mit dem Versailler Vertrag hatte das Deutsche Reich endgültig seine Kolonien verloren. Doch der so genannte ‚Kolonialrevisionismus‘ führte zu einem deutlichen Erstarken und Mitgliederanstieg der Kolonialbewegung – einer Kolonialbewegung ohne Kolonien. So war beispielsweise der Zentrumsabgeordnete (und spätere erste Bundeskanzler) Konrad Adenauer von 1931-1933 zugleich Vizepräsident der Deutschen Kolonialgesellschaft (vgl. Horstmann 2013).

Vielerorts wurden Gedenksteine gesetzt, in den Tiergärten zeigte man Menschenschauen und auch bei Kolonialausstellungen wurden Menschen aus den einstigen Kolonien in angeblicher Originalkleidung zur Schau gestellt.

‚Menschenschauen‘ gibt es heute nicht mehr. Doch in der Öffentlichkeit, ob Werbung, Presse oder Film, werden klischeehafte Darstellungen von Menschen aus dem globalen Süden verwendet. In diesen Darstellungen wirken Kolonialismus und Rassismus bis heute nach.

1

Sachanalyse

2

Sachurteil

3

Werturteil

Insbesondere bei Äußerungen von Schüler*innen sind die drei Teilprozesse der historischen Urteilsbildung (Sachanalyse, Sachurteil und Werturteil) oft nur schwer voneinander zu trennen. In den Aussagen von Schüler*innen gehen diese Bereiche häufig ineinander über oder sind miteinander verwoben.

Die analytische Trennung hilft dabei genauer hinzusehen, worauf die Lernenden ihr jeweiliges Urteil gerade stützen: Ist dieses quellenbezogen? Basiert es auf einer genauen Bestimmung von Ursache und Wirkung? Oder gibt jemand gerade ein vorschnelles Urteil?

Deshalb kommt es im Unterrichtsgeschehen oft darauf an, zunächst noch einmal zur Sachanalyse zurückzugehen, dann Ursachen und Wirkungen zu bestimmen bzw. den Sachverhalt in Zusammenhang mit anderen zu bringen, bevor man von ihm auf seine Bedeutung für historische Prozesse oder für die Gegenwart schließt bzw. ihn moralisch beurteilt. Je stärker diese methodische Herangehensweise verinnerlicht wird, desto kompetenter können Lernende historische Situationen vor ihrem jeweiligen Zeithintergrund verstehen und beurteilen. Dann besitzen sie eine historische Orientierung.