ARBEITSRECHT IN DER PRAKTISCHEN ANWENDUNG IM RAHMEN EINER STELLENANZEIGE
§ 11 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) formuliert für eine Stellenausschreibung Folgendes: „Ein Arbeitsplatz darf nicht unter Verstoß gegen § 7 Abs. 1 ausgeschrieben werden.“ In dem angesprochenen § 7 Abs. 1 AGG wiederum heißt es: „Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt werden.“ Und § 1 AGG stellt klar: „Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.“
Das bedeutet: „Mit dem Ausschreibungsgebot des § 11 soll erreicht werden, dass der ausschreibende Arbeitgeber schon in der Wahl der Worte seinen Willen zu erkennen gibt, den Arbeitsplatz ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines der in § 1 genannten Merkmale zu besetzen.“[1] So ist es also Aufgabe „von § 11 AGG [...] Benachteiligungen bereits bei der Ausschreibung von Stellen, sofern sich der Arbeitgeber hierzu entschließt, zu unterbinden.“[2] Es gilt der Grundsatz der geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.[3]
Die Firma SteuerConsul hat einen Arbeitsplatz in ihrer Steuerberatung frei und möchte diesen neu besetzen. Wie lautet die juristisch korrekte Einleitung der entsprechenden Stellenanzeige?
juristisch sicher
juristisch angreifbar
Wir suchen einen Steuerberater.
Diese Variante verstößt gegen das AGG: „Wird in einer Stellenausschreibung ausschließlich eine männliche oder weibliche Positionsbezeichnung gewählt, die weder durch den Zusatz ‚/in‘ [...] noch durch die Ergänzung ‚m/w‘ erweitert wird, so genügt diese nicht den Vorgaben einer geschlechtsneutralen Stellenausschreibung.“[4]
„Eine unterschiedliche Behandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes ist gem. § 8 Abs. 1 AGG nur dann zulässig, wenn dieser Grund wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt, sofern der Zweck rechtmäßig und die Anforderung angemessen ist. Die Differenzierung nach dem Geschlecht verlangt, dass dieses unverzichtbare Voraussetzung für die Erbringung der Tätigkeit ist.“[5] Da nicht ersichtlich ist, weshalb nur Männer steuerberatend tätig sein können, liegt hier also ein Verstoß gegen das AGG vor.
Wir suchen einen Steuerberater (m/w).
Diese Variante ist immer noch verbreitet vorzufinden, verstößt aber gegen das AGG: „Die Literatur war bislang der Meinung, eine Stellenausschreibung sei geschlechtsneutral, wenn sie sowohl eine männliche als auch eine weibliche Tätigkeitsbezeichnung enthalte. Diese Einschätzung blendet das dritte Geschlecht indes aus und ist daher mit dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar. Denn Kern der verfassungsgerichtlichen Entscheidung bildet die Erkenntnis, dass sich Personen des dritten Geschlechts gerade nicht als entweder männlich oder weiblich, sondern als von diesen beiden Geschlechtern unabhängig begreifen. Mithin lässt eine Stellenanzeige, die nur die männliche und weibliche Tätigkeitsbezeichnung enthält, eine Benachteiligung des dritten Geschlechts vermuten.“[6]
Wir suchen einen Steuerberater (m/w/i/t).
Diese Variante ist nach Studium der aktuellen Literatur derzeit die sicherste für eine rechtssichere Stellenausschreibung: „Die Entscheidung des BVerfG verdeutlicht, dass der Zusatz (m/w) nicht nur nicht geschlechtsneutral ist. Er lässt vielmehr eine Benachteiligung wegen des Geschlechts vermuten, denn er übergeht die Existenz des dritten Geschlechts. [...] Allerdings steht dem Arbeitgeber die Möglichkeit offen, den Zusatz zu erweitern und so auch Personen des dritten Geschlechts mit seiner Stellenausschreibung anzusprechen. Geschlechtsneutral ist jedenfalls der Zusatz (m/w/i/t), denn er zeigt, dass es dem Arbeitgeber weder auf die genetische Eindeutigkeit (i = intersexuell) noch auf die biologische Veranlagung (t = transsexuell) ankommt. Auch mit dem Zusatz (m/w/d) macht der Arbeitgeber seine Offenheit gegenüber Menschen deutlich, die sich positiv dem dritten Geschlecht zuordnen.“[7]
Wir suchen eine*n Steuerberater*in.
Diese Varianteist rechtlich angreifbar oder steht in der juristischen Fachliteratur zumindest in der Kritik: „Wo die Sprache (vermeintlich) versagt, bleibt die Symbolik. Sollten Arbeitgeber also künftig Mitarbeiter*innen oder Mitarbeiter_innen suchen? Nein, denn hier dient das dritte Geschlecht als Lückenbüßer zwischen Mann und Frau, abgewertet auf ein kryptisches Zeichen.“[8]
Wir suchen eine Steuerfachkraft.
Diese Variante wird die Firma SteuerConsul allerdings nicht zum gewünschten neuen Mitarbeiter (m/w/i/t/d) führen, denn eine Steuerfachkraft ist etwas anderes als ein Steuerberater (m/w/i/t/d).
Stellenausschreibungen gehören zur Aufgabe des Personalmanagements und zahlreicher Personaldienstleistungsunternehmungen. Diese werden auch von Rechtsabteilungen beraten, um gute Entscheidungen treffen zu können. Hier sind Formulierungen in einer Stellenanzeige auch im Hinblick auf eine gendergerechte Sprache vor arbeitsrechtlichem Hintergrundwissen im Detail und auch in ihrer Außenwirkung angesichts eines modernen Sprachgebrauchs kritisch zu reflektieren.
Im juristischen Sinne ist die Variante „Wir suchen einen Steuerberater (m/w/i/t)“ am sichersten: „Eine Stellenanzeige ist nur dann geschlechtsneutral ausgeschrieben, wenn sie den Zusatz (m/w/i/t) oder (m/w/d) enthält.“[9]