„Feldforschung beginnt mit dem Wahrnehmen einer scheinbar unüberschaubaren Vielfalt. In der Fülle der Wahrnehmungen sind Themen, Fragen und Antworten angelegt, müssen jedoch erst – in einem längeren Forschungsprozess – allmählich erkannt und behutsam ‚herauspräpariert‘ werden. Für die Forschenden ist es wichtig, sich zunächst offen für alle Phänomene des Feldes zu zeigen und sich nicht zu früh einzuschränken beziehungsweise leiten zu lassen.“ (Gajek, 2014, S.55)
Lesen Sie den Einführungstext zu Feldforschung und das obige Zitat sorgfältig durch. Beantworten Sie im Anschluss folgende Frage: Welche der Aussagen trifft Ihrer Meinung nach auf die Feldforschung zu?
richtig
falsch
Feldforschung dient dazu, die Innenperspektive von Menschen erfahrbar zu machen.
Feldforschung basiert auf der Teilnahme am Alltag der beforschten Menschen mit dem Ziel des sinnverstehenden Miterlebens.
Feldforschung dient dazu, in der Wirklichkeit das zu finden, was man beobachten will.
Diesem Verständnis nach Feldforschung zu betreiben hieße, lediglich nach der Bestätigung eigener Vermutungen zu suchen. Für die Empirische Kulturwissenschaft dient Feldforschung hingegen dazu, einen Einblick in den Alltag der Menschen zu bekommen.
Um die Prozesse im Feld nicht zu stören, sollen sich Forschende neutral verhalten.
Forschende agieren stets in sozialen Situationen und sind oft in vielfältige Beziehungen zum Feld verstrickt. Bei der Feldforschung geht es demnach weniger um die Minimierung des eigenen Einflusses auf das Feld, als vielmehr darum, die Verstrickungen mit dem Feld offenzulegen und für die Forschung zu nutzen.
Feldforschung ist ein Dialog zwischen Forschenden und Beforschten.
Zu beforschende Menschen werden von der Empirischen Kulturwissenschaft als Expert*innen ihres Alltags betrachtet. Um diese Expertise erfahren zu können gilt es, dem Gegenüber auf Augenhöhe und mit Empathie zu begegnen.
Aufgabe 2 von 3
DAS FELDTAGEBUCH
Im Folgenden lesen Sie Auszüge aus einem Feldtagebuch, das im Rahmen einer Forschung zu ökonomischer Unsicherheit in der Kreativwirtschaft angelegt wurde. Im Feldtagebuch werden persönliche Eindrücke, Ideen, sich ergebende Fragen, besondere Vorkommnisse usw. im Laufe des Forschungsprozesses festgehalten.
Welche Herausforderungen der Feldforschung werden angesprochen? Ordnen Sie den Auszügen aus dem Feldtagebuch das jeweils passende Schlagwort zu.
„Noch immer habe ich keine Möglichkeit gefunden einen Einblick in den Arbeitsalltag im Coworking Space in der Hügelstraße zu bekommen. Meine Anfrage per E-Mail an den Manager ist abgewiesen worden. Am Empfang hat man mich einige Tage später nach einem hausinternen Telefonat mit der Aussage abgewiesen, dass die Leitung mit mir ‚ja bereits alles geklärt‘ habe.“
Die Art und Weise wie man einen Zugang zum Forschungsfeld findet, hat einen großen Einfluss darauf, mit wem man später wie sprechen kann, wie man im Feld positioniert ist und welche Einblicke man erhält. Insbesondere Personen wie der hier genannte Manager, die sich mit den Regeln und Kodes des Forschungsfeldes auskennen, eröffnen oder verwehren Forschenden oftmals den Zugang und spielen so eine wichtige Rolle für die Forschung.
„Anstatt sich damit auseinanderzusetzen, dass ihr Erwerbsfeld in den letzten Jahren immer weiter dereguliert (Künstlerversicherung!) wurde und sich politisch zu organisieren, berufen sie sich auf ihren Künstlerstatus. Lieber prekär aber Künstler und radikaler Individualist als halbwegs sichere Arbeitsverhältnisse und eine Interessenvertretung.“
Feldforschende laufen immer Gefahr, ihre Vorstellungen von angemessenem Handeln auf die beforschten Menschen zu projizieren. Ziel ist es allerdings, die Perspektive der jeweiligen Personen einzunehmen und eigene Orientierungen zu relativieren.
„Schwieriges Interview mit P.F. Er hat mir wiederholt das Wort abgeschnitten, so als wären ihm meine Ansichten völlig egal. Auf die Darstellung meines Interesses an seiner Arbeit reagierte er mit der Aussage, dass es doch ‚nett‘ sei, dass die ‚Orchideenfächer‘ sich auch einmal für die Ökonomie interessieren würden.“
Gespräche im Feld können durch hierarchische Strukturen wie etwa Statusunterschiede beeinflusst werden. In den konkreten Situationen kann dies über die Verunsicherung der Forschenden dazu führen, dass das Gespräch nicht mehr von den Forschenden sondern von deren Gesprächspartner*innen gelenkt wird.
„Nach fünf Gesprächen in den letzten vier Wochen denke ich, dass ich mich mit T.I. auf einem guten Weg befinde. Im Lauf der letzten Gespräche ist sie zunehmend offener geworden. Gestern erzählt sie das erste Mal von ihren Sorgen, sich langfristig nicht als Solo-Selbstständige in der Gaming-Branche halten zu können, da der Wettbewerb immer größer werde.“
Das Zitat zeigt wie wichtig die Beziehung zwischen Forschenden und beforschten Menschen ist. Oftmals entwickeln Personen aus dem Feld erst mit der Zeit Vertrauen zu den Forschenden und geben darüber auch Einblick in ihr Tun. Forschende wiederum sollten versuchen das Vertrauen ihrer Gesprächspartner*innen zu gewinnen, gleichzeitig aber die nötige emotionale Distanz wahren.
1
Zugang zum Feld
2
Werturteile
3
Statusunterschiede
4
Vertrauen
Aufgabe 3 von 3
PERSPEKTIVEN ZUM BETREIBEN VON FELDFORSCHUNG
Welche der genannten Aspekte erscheinen Ihnen wichtig, um in der Perspektive der Empirischen Kulturwissenschaft Feldforschung betreiben zu können?
wichtig
unwichtig
Nachvollziehbarkeit
Die Auswertung der durch Feldforschung erhobenen Daten wird von der subjektiven Wahrnehmung der Forschenden mitgeprägt. Daher ist es wichtig, sowohl den Forschungsprozess als auch die interpretatorischen Schlüsse transparent und somit verstehbar zu machen.
Konstruktion des Gegenstandes
Die Anwesenheit, die Äußerungen und Fragen von Forschenden im Feld, schaffen Situationen, die ohne ihre Teilnahme so nicht entstanden wären. Insofern konstruieren Forschende das Feld mit, dass sie im selben Moment analysieren und verstehen möchten. Gleichzeitig erfolgt die Feldforschung vor dem Hintergrund eines spezifischen Erkenntnisinteresses. Im Forschungsprozess wirkt dieses wie ein Filter: Je nachdem, was wir wissen möchten, beachten wir verschiedene Ausschnitte eines Forschungsfeldes unterschiedlich stark.
Setzung von Normen
Die Empirische Kulturwissenschaft hat nicht das Ziel, aus den Werturteilen der Menschen kollektive Regeln abzuleiten. Mit dem Anspruch, wissenschaftlich gültige Aussagen zu treffen, fragt sie jedoch nach der aktiven Auseinandersetzung der Menschen mit kollektiven Orientierungen und versteht alltägliches Leben als Sphäre der Aneignung gesellschaftlicher Erfahrungsräume.