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Systematische Theologie: Religionsphilosophie – Menschenwürde und Menschenrechte

Die philosophische Begründung der Menschenwürde und der Menschenrechte ist eine zentrale Frage der Philosophischen Anthropologie, da hier der Anspruch erhoben wird, etwas Grundsätzliches über den Menschen auszusagen. Diese Frage gehört auch zum Themenfeld der Religionsphilosophie, da es religiöse Begründungen der Würde des Menschen gibt, die gemäß dem Selbstverständnis der jeweiligen Religion nachvollzogen und hinsichtlich ihrer Geltung untersucht werden sollen. Dazu ist es notwendig, die Begriffe und Denkformen religiöser Begründungen (wie z.B. ‚Person‘, ‚Gottesebenbildlichkeit‘ oder ‚Würde‘) in ihrer historischen Entwicklung zu klären und hinsichtlich ihrer philosophischen Argumentationskraft zu prüfen. Dies kann einen wesentlichen Beitrag leisten für die gesellschaftspolitische Diskussion um die Begründung der Menschenwürde. Denn dem Rechtsphilosophen Ernst-Wolfgang Böckenförde zufolge lebt „[d]er freiheitliche, säkularisierte Staat […] von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann“ (Böckenförde, Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation, S. 112, Hervorhebung im Original). Dies bedeutet, dass der Staat in seiner Forderung nach der unbedingten Geltung der Menschenwürde auch auf externe Quellen verwiesen ist, zu denen auch die Religionen gehören können.

Methodisch werden in der Religionsphilosophie Gedankengänge anhand philosophischer und religiöser Texte analysiert und interpretiert. Dabei gilt es, Argumente und Argumentationsstrukturen zu identifizieren, in ihren geistesgeschichtlichen Kontext einzuordnen, sie zu prüfen und ggf. Gegenargumente zu finden.     


Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 2

AUSGEWÄHLTE PHILOSOPHISCHE POSITIONEN ZUR MENSCHENWÜRDE

Die Wesensbestimmung des Menschen und die Frage danach, was seinen besonderen Wert ausmacht, sind seit jeher Thema philosophischer Überlegungen. Die folgenden Textausschnitte geben beispielhaft unterschiedliche Positionen und Begründungen dieser Würde des Menschen wieder:

„Also war er [Gott] zufrieden mit dem Menschen als einem Geschöpf von unbestimmter Gestalt, stellt ihn in die Mitte der Welt und sprach ihn so an: ‚Wir haben dir keinen festen Wohnsitz gegeben, Adam, kein eigenes Aussehen noch irgendeine besondere Gabe, damit du den Wohnsitz, das Aussehen und die Gaben, die du selbst dir ausersiehst, entsprechend deinem Wunsch und Entschluss habest und besitzest. Die Natur der übrigen Geschöpfe ist fest bestimmt und wird innerhalb von uns vorgeschriebener Gesetze begrenzt. Du sollst dir deine ohne jede Einschränkung und Enge, nach deinem Ermessen, dem ich dich anvertraut habe, selber bestimmen […]‘“ (Pico della Mirandola, De hominis dignitate. Über die Würde des Menschen, S. 5-7).

„Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste in der Natur; aber er ist ein Schilfrohr, das denkt. Es ist nicht nötig, dass das ganze Weltall sich rüstet, um ihn zu vernichten: ein Dunsthauch, ein Wassertropfen genügt, um ihn zu töten. Wenn ihn aber auch das Weltall vernichten würde, wäre der Mensch immer noch erhabener als das, was ihn tötet, weil er weiß, dass er stirbt, und die Überlegenheit kennt, die das Weltall über ihn hat; das Weltall weiß das nicht. Unsere ganze Würde beruht also auf dem Denken“ (Pascal, Gedanken, Nr. 200/347).

„Allein der Mensch, als Person betrachtet, d.i. als Subjekt einer moralisch-praktischen Vernunft, ist über allen Preis erhaben; denn als ein solcher (homo noumenon) ist er nicht bloß als Mittel zu anderer ihren, ja selbst seinen eigen Zwecken, sondern als Zweck an sich selbst zu schätzen, d.i. er besitzt eine Würde (einen absoluten innern Wert), wodurch er allen andern vernünftigen Weltwesen Achtung für ihn abnötigt, sich mit jedem Anderen dieser Art messen und auf den Fuß der Gleichheit schätzen kann“ (Kant, Metaphysik der Sitten, A 93, S. 569).

„Ein Wesen, das sich solchermaßen [d.h. als Person mit einer Vergangenheit und Zukunft] selbst bewusst ist, ist fähig, Wünsche hinsichtlich seiner eigenen Zukunft zu haben. So mag zum Beispiel ein Philosophieprofessor hoffen, ein Buch zu schreiben, in dem er die objektive Natur der Ethik beweist; eine Studentin mag ihr Abschlussexamen ins Auge fassen; ein Kind mag den Wunsch haben, in einem Flugzeug zu fliegen. Nimmt man einem dieser Menschen ohne seine Zustimmung das Leben, so durchkreuzt man damit seine Wünsche für die Zukunft. Tötet man eine Schnecke oder ein einen Tag altes Kind, so durchkreuzt man keine Wünsche dieser Art, weil Schnecken und Neugeborene unfähig sind, solche Wünsche zu haben“ (Singer, Praktische Ethik, S. 109).

Ordnen Sie den Autoren die These, die das jeweilige Zitat inhaltlich zusammenfasst, und deren Begründung zu.

Giovanni Pico della Mirandola
(1463–1494)

Blaise Pascal
(1623–1662)

Immanuel Kant
(1724–1804)

Peter Singer
(*1946)

These

Begründung

Der Mensch kann im Gegensatz zu den Tieren seine Natur selbst bestimmen.

Dem Menschen ist seine eigene Größe und Niedrigkeit bewusst; darin liegt seine Würde.

Der Mensch darf niemals als Mittel zum Zweck gebraucht werden, weil er selbst Zweck an sich ist.

Die besondere Würde einer Person zeigt sich in der Fähigkeit, Wünsche für die Zukunft zu haben.

von Gott verliehene Willensfreiheit

Vernunft und Denkfähigkeit

Fähigkeit zum moralischen Urteilen und Handeln

Betätigung des Selbstbewusstseins