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Systematische Theologie: Fundamentaltheologie – Religiöser Schöpfungsglaube und Naturwissenschaft

Die folgenden Aufgaben thematisieren das Verhältnis von biblischem Schöpfungsglauben und naturwissenschaftlichen Welterklärungstheorien und geben damit einen Einblick in ein wichtiges Arbeitsfeld der Fundamentaltheologie im Bereich des Dialogs zwischen Glaube und Naturwissenschaften.


Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 3

RELIGIÖSER SCHÖPFUNGSGLAUBE UND NATURWISSENSCHAFT: EIN UNAUFLÖSLICHER KONFLIKT?

Der folgende Text ist ein Auszug aus einem Buch des Theologen Hans Kesslers, in dem er das grundsätzliche Verhältnis von religiösem Glauben und Naturwissenschaft in Auseinandersetzung mit der Evolutionstheorie und naturwissenschaftlichen Welterklärungstheorien erörtert.

„Die Erklärungen der Wissenschaften erklären ein endliches Faktum durch ein anderes und dieses wieder durch ein anderes: eine unabschließbare Bewegung. Nun sagen Religionskritiker: Um nicht endlos weiterfragen zu müssen, führe die Religion Gott ein; und das sei ein willkürlicher Abbruch des Erklärungs- und Begründungsverfahrens. […] Doch hier werden geradezu regelmäßig zwei Ebenen verwechselt, die scharf unterschieden werden müssen.

Einerseits die Ebene der Wissenschaften: Sie erklären, wie gesagt, ein Faktum durch ein anderes, und sie verbleiben dabei innerhalb der Welt bzw. innerhalb einer weltartigen Entität. Das gilt auch für die physikalische Theorie vom Urknall, weil auch ein Urknall etwas voraussetzt, das explodieren konnte.[1] Alle kosmologischen Theorien müssen etwas (Weltartiges) voraussetzen, aus dem das Universum entstanden sei [...].[2] Alle wissenschaftlichen Erklärungen beschreiben also regelhafte Funktionszusammenhänge zwischen endlichen Ursachen innerhalb der Welt, und sie brauchen dazu keinen Schöpfergott.

Andererseits die meta-wissenschaftliche Ebene der umfassenden Weltdeutung und der Religion: Die Annahme eines einzigen Gottes als Urgrund (oder Schöpfer) der Welt etwa will nicht das wissenschaftliche Fragen nach Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen innerhalb der Welt beenden; das kann ungehindert weitergehen. Wer nach Gott fragt, fragt – recht verstanden – nicht zurück nach einer ersten Ursache, also nach dem ersten Glied einer Kette von Ursachen, sondern er fragt nach dem Grund der ganzen Kette, also nach dem, was die Kette als Ganze begründet und trägt – und zwar in jedem ihrer Zustände (ob vor oder nach dem Urknall).

Die Unterscheidung zwischen Ursache und Grund ist wichtig. Der Grund unterscheidet sich begrifflich insofern von der Ordnung der Ursachen, als er die seinsmäßige Basis meint, dank derer die endliche Ordnung der Ursachen überhaupt existiert. Es geht also weder um einen Lückenbüßergott […] noch um einen Abbruch des Begründungsverfahrens auf der Ebene der endlichen Ursachen; es geht im Gegenteil um die ‚radikale‘ (um die allem an die radix, die ‚Wurzel‘, gehende) Frage nach Begründung.

[…] Ganz entsprechend der Unterscheidung zwischen Grund und Ursache unterscheidet die Theologie scharf zwischen creatio und mutatio. Wer Gott sagt, will nicht Mutationen (Veränderungen) in der Welt erklären, sondern will auf den Grund des Ganzen verweisen, will das Sein (den Sprung vom Nichtsein zum Sein), das Faktum der Welt selber und seinen Sinn verstehbar machen.“ 

(Kessler, Evolution, S. 99-101).

Entscheiden Sie auf Grundlage des Textes, ob es sich bei den Folgenden Aussagen um theologisch richtige oder falsche Aussagen handelt.

richtig
   
falsch

Die erste Ursache des Kosmos kann durch die Naturwissenschaften nicht beantwortet werden, da das ständige Weiterfragen nach letzten Ursachen in einen infiniten Regress führt. Die Religion versucht dieses Problem zu lösen, indem sie Gott als die letzte Ursache des Kosmos annimmt.

Der religiöse Schöpfungsglaube fragt nicht nach der Ursache der Entstehung des Kosmos, sondern überschreitet die Ebene der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, indem er nach dem Grund und Sinn des Seins als Ganzem fragt. 

Gott kann als erste Ursache des Kosmos als eine sinnvolle religiöse Interpretation der physikalischen Urknall-Theorie angesehen werden.

Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliche Theorien zur Entstehung der Welt widersprechen sich fundamental und können deshalb nicht nebeneinander bestehen.