Konstruktion – Der Zugversuch

Quelle: HS Reutlingen
Der Zugversuch ist ein Standardverfahren der Werkstoffprüfung zur Bestimmung von Werkstoffkennwerten (Streckgrenze, Zugfestigkeit, Bruchdehnung, ...). Er zählt zu den quasistatischen, zerstörenden Prüfverfahren.
Im Zugversuch werden standardisierte Proben mit definierter Querschnittsfläche bis zum Bruch gedehnt, wobei die Dehnung bzw. der Weg gleichmäßig und mit einer geringen Geschwindigkeit gesteigert wird. Während des Versuchs werden die Kraft F an der Probe und die Längenänderung \(∆L\) in der Messstrecke der Probe kontinuierlich gemessen (siehe Abbildung 1). Aus der Kraft wird mit der Querschnittsfläche \(A\) der nicht deformierten Probe die Spannung \(\sigma\) und aus der Längenänderung \(∆L\) wird mit der Ausgangslänge \(L\) der nicht deformierten Probe die Dehnung \(\boldsymbol{\varepsilon}\) ermittelt.
Die Spannungs-Dehnungs-Kurve

Quelle: HS Reutlingen
In der Abbildung 2 ist schematisch die aus einem Versuch gewonnene Spannungs-Dehnungskurve für einen Stahlwerkstoff dargestellt.
Zu Beginn einer Beanspruchung verhalten sich viele Werkstoffe annähernd linear-elastisch, d. h. die Verformung gegenüber der Ausgangslänge verschwindet bei Entlastung wieder vollständig. Der zugehörige Werkstoffkennwert, der das linear-elastische Verformungsverhalten beschreibt ist der Elastizitätsmodul E und er entspricht der Steigung der sogenannten Hooke'schen Geraden. Im Beispiel ergibt sich der E-Modul zu
\(E = \frac{R_e} {\boldsymbol{\varepsilon}_{el}} = \frac{650} {0.003095} = 210000 [\frac{N}{mm^²}]\)
Bei Erreichen der Elastizitäts- oder Streckgrenze \(R_e\) setzt die erste erkennbare plastische Deformation ein. Ab diesem Punkt ist der weitere Verlauf stark werkstoffabhängig. Gemeinsam ist allen Werkstoffen, dass plastische Verformungen bei Entlastung bestehen bleiben. Nur der elastische Anteil \(\boldsymbol{\varepsilon}_{el}\) verschwindet wieder, d.h. bei einer Entlastung kehrt der Körper wieder in seine ursprüngliche Geometrie zurück.
Das Maximum der Spannungs-Dehnungskurve bezeichnet einen der wichtigsten Werkstoffkennwerte: die Zugfestigkeit \(R_m\). Bei Erreichen der Zugfestigkeit schnürt sich im gezeigten Beispiel die Zugprobe ein und es kommt zum Bruch. Die Zugfestigkeit gibt somit die höchste Spannung an, mit der der Werkstoff belastet werden darf.
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Aufgabe 1 von 1
WELTRAUMLIFT

Quelle: NASA/Pat Rawlings / gemeinfrei (Not protected by copyright)
Ein Weltraumlift, auch Weltraumaufzug (engl. Space Elevator) ist ein hypothetischer Transporter in den Weltraum ohne Raketenantrieb entlang eines gespannten Seils zwischen einer Basisstation am Äquator und einer Raumstation hinter dem geostationären Orbit in 35.786 Kilometer Höhe. Um einen solchen Lift zu realisieren, müssten Materialien mit einer großen Reißlänge verwendet werden.
Die Reißlänge ist eine charakteristische Materialeigenschaft. Es handelt sich dabei um diejenige Länge \(L_R\), bei der ein frei hängender Querschnitt eines Werkstoffs (zum Beispiel ein Seil) durch seine eigene Gewichtskraft \(F_G\) an der Befestigung abreißt. Wie unter ‚Zugversuch‘ beschrieben ist die maximal zulässige Spannung \(\sigma\) durch die Zugfestigkeit \(R_m\) des Werkstoffs bestimmt.
Mit \(\sigma=\frac{F_G}{A}\) und der Gewichtskraft \(F_G=m\ast g\) kann die Reißlänge \(L_R\) z.B. eines Seils berechnet werden.
Hilfestellung: Die Masse \(m\) kann aus dem Volumen des Körpers [m³] und der Dichte \(\rho\) [kg/m³] berechnet werden. Die Erdbeschleunigung \(g\) beträgt 9.81 m/s².
Beantworten Sie folgende Fragen bzw. berechnen Sie die Reißlänge der Werkstoffe in der folgenden Tabelle:
Werkstoff |
E-Modul |
Zugfestigkeit \(R_m\) |
Dichte \(\rho\) |
Stahl |
210000 |
850 |
7850 |
Titan |
105000 |
1200 |
4500 |
Polyethylen |
99000 |
3500 |
950 |
Graphen |
1020000 |
125000 |
2260 |
Bitte kreuzen Sie die jeweils richtige Antwort an.
Durch eine optimale Querschnittsvergrößerung, d.h. durch ein dickes Seil kann man den Weltraumaufzug realisieren.
Das Stahlseil ist geeigneter als das Seil aus Titan und reicht vollkommen aus, um den Weltraumaufzug zu bauen.
Mit dem Polyethylenseil kommt man nur etwa bis zur Internationalen Weltraumstation ISS in ca. 380 km Höhe.
Graphen als Werkstoff hat das größte Potenzial, reicht aber bei angenommener konstanter Erdbeschleunigung nicht bis zu einer geostationären Bahn.
Mit \(\sigma=\frac{F_G}{A}\) und \(F_G=m\ast g\) sowie \(m=A\ast L_R\ast\rho\) und \(\sigma=R_m\) ergibt sich die Reißlänge \(L_R=\ \frac{R_m}{\rho g}\).
Werkstoff |
E-Modul [N/mm²] |
Zugfestigkeit \(R_m\) [N/mm²] |
Dichte \(\rho\) [kg/m³] |
Reißlänge [m] |
Stahl |
210000 |
850 |
7850 |
11038 |
Titan |
105000 |
1200 |
4500 |
27183 |
Polyethylen |
99000 |
3500 |
950 |
375557 |
Graphen |
1020000 |
125000 |
2260 |
5638097 |