Deutsch
– Beispielaufgaben
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Aufgabe 1 von 5
GRAPHEMATISCHE PRINZIPIEN
Die Graphematik zeigt verschiedene Prinzipien auf, wie Wörter verschriftlicht werden können (vgl. Busch/Stenschke 2008).
- Phonologisches Prinzip: ‚Schreibe, wie du sprichst‘. Nach diesem Prinzip ist jedem Phonem ein Graphem (bestehend aus einem oder mehreren Graphen) zugeordnet.
- Silbisches Prinzip: Damit lässt sich u.a. die Konsonantenverdopplung erklären. Anders als beim phonologischen Prinzip wird hier der silbische Kontext bedeutsam. Folgt nach einem kurzen Vokal ein Konsonant als Silbengelenk, wird dieser verdoppelt, so dass er sich sowohl am Ende der ersten als auch am Anfang der zweiten Schreibsilbe wiederfindet, wenn er nicht ohnehin schon durch mehrere Graphen realisiert wird. Beispiel: <hallen> vs. <halten>
- Morphologisches Prinzip: Morpheme in verschiedenen Verwendungen (Flexionsformen oder Wortbildungen) werden immer gleich geschrieben (Morphemkonstanz). An der Schreibung wird die Verwandtschaft zwischen Morphemen erkennbar, z.B. bei der Umlautschreibung (<Wand> <Wände>) oder der Markierung der Auslautverhärtung (<Hund> <Hunde>).
- Etymologisches Prinzip: Wörter bzw. Morpheme, die aus einer Fremdsprache entlehnt wurden, behalten ihre Schreibung bei.
- Pragmatisches Prinzip: Anredepronomina werden großgeschrieben.
- Syntaktisches Prinzip: Wörter und Wortgruppen werden entsprechend ihrer Verwendung im Satz groß- oder klein-, zusammen- oder auseinandergeschrieben.
Mit welchem graphematischen Prinzip lässt sich die Schreibung <schallt> erklären?
Phonologisches Prinzip
Morphologisches Prinzip
Syntaktisches Prinzip
Silbisches Prinzip
Das Verb schallen besteht aus dem Stamm {schall} und dem Flexionssuffix für den Infinitiv {en}. Die Schreibweise <schallt> ergibt sich durch den Austausch mit dem Flexionssuffix {t} für die 3. Person Singular. Das Doppel-l begründet sich durch die Morphemkonstanz.
Aufgabe 2 von 5
GRAPHEMATIK UND ORTHOGRAPHIE – WIE SCHREIBEN WIR RICHTIG?
Unter Orthographie versteht man ein „explizit geregeltes, konventionalisiertes System von Normen, nach dem für jedes Wort in der Regel nur eine einzige Schreibweise gültig ist“ (Busch/Stenschke 2008, S. 69). Graphematik ist eine linguistische Teildisziplin, die sich mit den bedeutungsunterscheidenden Einheiten des Schriftsystems einer Sprache und den möglichen Schreibungen von Wörtern befasst. Sie beschreibt dabei verschiedene Prinzipien, wie Sprache verschriftlicht werden kann. Bei Alphabetschriften ist aufgrund der Korrelation von gesprochener und geschriebener Sprache häufig das Phonemsystem (Lautsystem) Ausgangspunkt der Analysen. Um graphematische Phänomene verstehen zu können, ist außerdem umfangreiches Sprachwissen (z.B. zur Wortbildung oder zum Satzbau) erforderlich.
Welche These trifft zu?
Dependenzhypothese: Schrift ist die Visualisierung des Gesprochenen.
Autonomie-Hypothese: Schrift ist eine eigenständige Realisation von Sprache.
Für die graphematische Beschreibung reicht es nicht aus, Grapheme als Spiegelbilder von Lauten zu bewerten.
Wenngleich die Analysemethoden der Phonologie für die Graphematik eine wichtige Rolle spielen, beschränkt sich die Graphematik nicht auf die Beziehung zwischen Phonemen und Graphemen, denn damit lässt sich z.B. die Großschreibung von Substantiven nicht erklären.
Aufgabe 3 von 5
LITERARISCHE KETTENREIME LESEN UND EIGENE ANALOGE GEDICHTE PRODUZIEREN
Deutschunterricht in der Grundschule soll gleichzeitig kindgerecht und kompetenzorientiert sein, das heißt, er soll
- Kinder dort abholen, wo sie stehen, und motivierend gestaltet sein,
- Kinder so fördern und fordern, dass sie die Standards im Lesen, Schreiben (inklusive Rechtschreibung), Sprechen und in der Sprachbetrachtung erreichen,
- und dies alles nicht isoliert voneinander vermitteln, sondern er soll integrativ, also in sinnhaften Zusammenhängen gestaltet sein.
Besonders anspruchsvoll ist der offene Unterricht im Lesen und Schreiben, der nie Selbstzweck ist, sondern sich mit angeleiteten Unterrichtsphasen abwechselt. Eine Grundlage für einen solchen Deutschunterricht kann das Vier-Säulen-Modell nach Erika Brinkmann und Hans Brügelmann (vgl. 1994) sein, das in der folgenden Tabelle leicht modifiziert und erweitert unter dem Titel ‚Vier Perspektiven für den Deutschunterricht‘ vorgestellt wird. Dieses Modell bezieht sich auf Klasse 1-4 und beinhaltet sowohl die gemeinsame Entwicklung von Arbeitsformen und Lese- bzw. Schreibstrategien in der Klasse als auch Phasen selbstständigen Lernens, wobei individuelle und gemeinsame Arbeitsprozesse einander abwechseln.
Außerdem muss die Lernumgebung in der Klasse anregend gestaltet werden, um Kinder zum Lesen und Schreiben zu verlocken. Das bedeutet, dass zum Beispiel aktuelle und motivierende Kinderliteratur und Medien vorhanden und für alle zugänglich sein sollten. Daran sollten sich motivierende und sinnhafte Impulse anschließen – entweder durch den Aufforderungscharakter des Materials selbst oder durch sinnvolle Lese-, Schreib- und Sprechaufgaben.
Vier Perspektiven für den Deutschunterricht[1]
Gemeinsame Entwicklung von Arbeitsformen und Lese-/ Schreibstrategien |
Selbstständiges Lernen im Wechsel von individueller und gemeinsamer Arbeit |
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1. Werkzeuge zum Lesen und Schreiben, gemeinsam über Sprache nachdenken
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2. Texte verfassen |
3. Lesen, Umgang mit Texten und Medien |
4. Forschen, Sammeln, Sortieren, Üben |
Alphabetsystem kennenlernen
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Lust und Zutrauen zum Verfassen eigener Texte gewinnen
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Lust auf Bücher und aufs Lesen bekommen
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Aufbau und Sicherung eines Grundwortschatzes
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Die Aufgabe bezieht sich vor allem auf die dritte Säule, Lesen, Umgang mit Texten und Medien. Ausgangspunkt ist die schöne Gedichtsammlung Es war einmal ein Igel von Franz Hohler, illustriert von Kathrin Schärer (2011). Nach dem Muster des volkstümlichen Kettenreims (‚Es war einmal ein Mann / der hatte einen Schwamm…‘) wird hier in zwei bis fünf Paarreimen munter fabuliert – meist mit Tiernamen, aber gelegentlich auch mit Menschen (Wiener, Bonner…), Naturphänomenen (Nebel) und allerlei anderem ‚Personal‘. Untenstehend finden Sie ein Beispiel.
Es war einmal ein Dachs
Der aß am liebsten Lachs.
Doch gab es das fast nie.
Da sprach er: »Irgendwie
Ist‘s ohne Lachs fast schöner.«
Jetzt aß er nur noch Döner.
(Hohler 2011, S. 17)
© 2011 Carl Hanser Verlag
Andere Gedichte beginnen mit Paarreimen wie „Es war einmal ein Igel / Dem wuchsen plötzlich Flügel.“ (Hohler 2011, S. 20) oder „Es war einmal ein Nebel / Der hieß Augustus Strebel.“ (Hohler 2011, S. 37).
Analysieren Sie zunächst das Gedicht über den Lachs.
- Was ist dessen Bauform, also: Welche Merkmale muss ein Kind berücksichtigen, das ein eigenes Gedicht in der Spur eines Hohler-Textes schreiben will?
- Beurteilen Sie nun die unten abgedruckten analogen Gedichte der zwei Viertklässler Ardian und Sevgi. Die drei Leitfragen hierzu orientieren sich an den drei Fragen zur Lernbeobachtung nach Mechthild Dehn: Was kann das Kind bereits? – Was muss es noch lernen? – Was kann es als nächstes lernen? (vgl. Dehn/Hüttis-Graff 2006)
1. Welche Merkmale haben die Kinder jeweils verstanden und richtig umgesetzt?
2. Woran müssten die jungen Dichter noch arbeiten?
3. Woran sollten sie zuerst arbeiten?
Gedicht von Ardian, Klasse 4
Es war einmal eine Ziege
sie hat eine Fliege
die Fliege wog 1 g
wie ein Schlechtes Lamm.
Gedicht von Sevgi, Klasse 4
Es war einmal ein Bär. Er
schrie ich will ins Meer.
Er lief bis er in fand den schönnen
g(G?)elben sandt er, zog sich
ganz schnell um und
Schwam im Meer Herum.
Welche der folgenden Aussagen ist richtig? Welche ist falsch?
Zur Bauform des literarischen Vorbilds: Alle Gedichte beginnen mit einer märchenhaften Formel.
In der Tat beginnen bei Hohler alle Gedichte mit ‚Es war einmal…‘
Zur Bauform des literarischen Vorbilds: Das Gedicht muss später aus drei Zweizeilern bestehen.
Nein, die Gedichte bei Hohler bestehen zwar aus Paarreimen, aber deren Zahl variiert. Manche sind kürzer, manche länger => keine Produktionsregel für die Schülerinnen und Schüler.
Zur Bauform des literarischen Vorbilds: Ein Hohler-Gedicht beinhaltet eine Pointe.
Ja, das abgedruckte Gedicht wie auch alle anderen enden mit einem absurden ‚Spin‘, der die Komik auf die Spitze treibt.
Ardian hat Klang, Rhythmus und Reimstruktur recht stimmig hinbekommen.
Richtig, nur den Absatz zwischen den Paarreimen hat er noch nicht erkannt.
Ardians Gedicht enthält eine Pointe.
Gramm – Lamm reimt sich zwar, aber eine echte Pointe liegt hier nicht vor. Diese müsste Ardian noch überarbeiten.
Ardian könnte erst an der Logik seiner ‚Geschichte‘ feilen, bevor er beginnt, diese in Reimen umzusetzen.
Ardian sollte zunächst die Geschichte planen, die er mit seinem Gedicht erzählen will. Danach könnte er z.B. ein Reimwörterbuch verwenden und ein neues zweites Couplet dichten.
Formal ist Ardians Gedicht doch prima gelungen, die paar Fehler kann man stehen lassen.
Nein, Ardian soll ja einen Lernzuwachs erfahren und gefördert werden! In seinem Entwurf passen Rhythmus und Zeitform noch nicht komplett. Weiter müssen noch ein paar Zeichen gesetzt sowie der einzige Rechtschreibfehler gefunden und verbessert werden – am besten selbstständig durch das Kind, evtl. nach Hinweis der Lehrerin bzw. des Lehrers.
Sevgis Text ist ein recht holpriges Kettengedicht.
Nein, Sevgi ist es gelungen, ein sehr schönes, stimmiges Kettengedicht zu schreiben, das nur noch der rechtschriftlichen und gestalterischen Überarbeitung bedarf – hier wartet allerdings noch einige Arbeit auf Sie.
Die erste Herausforderung bei der Überarbeitung besteht für Sevgi in der Markierung der Vers-Enden bzw. Zeilenumbrüche.
Ja, für das Mädchen wäre es im Dienste der Schreibaufgabe ‚Ein eigenes Gedicht schreiben‘ ein logischer nächster Schritt, die Zeilenumbrüche zu markieren. Natürlich soll sie danach auch alleine oder in Partnerarbeit Satzzeichen und Redezeichen setzen, bevor sie sich um die Großschreibung kümmert. Aber die Reihenfolge sollte so sein, dass erst in der lyrischen Textwelt gearbeitet wird und danach die Rechtschreibung optimiert wird, die natürlich überarbeitet werden muss.
In Klasse 4 sind bereits Rechtschreibgesetzmäßigkeiten bzw. Rechtschreibregeln bekannt.
Ja, zum Beispiel diese: Nur der Satzanfang (evtl. auch die jeweils neue Zeile des Gedichts) und die Nomen werden groß geschrieben, alles andere klein. Auch Regeln rund um die Bezeichnung der Vokalquantität sind im vierten Schuljahr längst bekannt, hier z.B.: Auf einen Kurzvokal folgen in der Regel zwei Konsonanten, meist eine Konsonantenverdoppelung, siehe ein mögliches Lernwort wie ‚Schwamm‘.
Die Auslautverhärtung im Wort ‚sandt‘ kann Sevgi einfach selbst durch Ableitung (‚Verlängere das Wort!‘) herausfinden: Sand – sandig.
Jein, hier muss die Lehrkraft im Einzelfall flexibel reagieren. Die Fehlschreibung ‚sandt‘ eignet sich eher zum Nachschlagen bei Sand im Wörterbuch, da eine morphologische Ableitung mit dem Ziel herauszuhören, dass das Wort am Ende mit <d> geschrieben wird, in diesem Fall möglicherweise schwierig ist, da es keine Pluralbildung gibt – und vor allem für ein Kind mit Deutsch als Zweitsprache, dessen Wortschatz noch nicht sehr umfangreich ist und das alternativ verwendbare Adjektiv ‚sandig‘ gar nicht enthält.
Vier Perspektiven des Deutschunterrichts am Beispiel Kettengedichte
Gemeinsame Entwicklung von Arbeitsformen und Lese-/ Schreibstrategien |
Selbstständiges Lernen im Wechsel von individueller und gemeinsamer Arbeit |
||
1. Werkzeuge zum Lesen und Schreiben, gemeinsam über Sprache nachdenken |
2. Texte verfassen |
3. Lesen, Umgang mit Texten und Medien |
4. Forschen, Sammeln, Sortieren, Üben |
Kettengedichte kennenlernen Begriffe kennenlernen: Gedicht, Reim, Zeile… gemeinsam Reimen üben und dabei die phonologische Bewusstheit fördern über Sprache nachdenken Umstellproben kennenlernen Reimwörterbuch als Hilfe kennenlernen Kriterien für eine Gedichte-Schreibkonferenz kennenlernen Kriterien für gutes Vorlesen / Vortragen kennenlernen |
Schreibidee für ein Kettengedicht entwickeln Entwurf schreiben mit anderen Kindern über Gedicht-Entwürfe nachdenken und sprechen allein und gemeinsam überarbeiten: Umstellproben machen – damit man sich nicht an einem Reim festbeißt, Silben zählen, Wörter suchen, die klanglich oder inhaltlich besser passen, überflüssige Füllwörter rauswerfen… überarbeiteten Text schreiben und gestalten (per Hand oder Computer, mit Stempeln…) illustrieren |
Lesemotivation fördern Vorlesen üben Gedicht auswendig lernen und das Vortragen üben Weiterführend: Ältere Kettengedichte / mündliche und literarische Tradition kennenlernen (Volksgut: ‚Es war einmal ein Mann, / Der hatte einen Schwamm‘ oder James Krüss: ‚Eine Frau und zweiundzwanzig Tiere‘, in: Krüss 2016) Dichter Franz Hohler medial kennenlernen: Online-Autorenlexikon (z.B. Literaturport), Lesung von ‚Es war einmal‘ auf YouTube (Bericht / Rezension dazu verfassen) oder durch die Lektüre weiterer Texte, z.B. Das große Buch. Geschichten für Kinder (2009) |
Reimpaare sammeln Wörter für Wortfelder sammeln Wörter für Wortfamilien sammeln und den Wortstamm zum richtigen Schreiben nutzen
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Aufgabe 4 von 5
DIGITALE MEDIEN IM DEUTSCHUNTERRICHT DER GRUNDSCHULE (AM BEISPIEL VON APPLICATION SOFTWARE – KURZ ‚APPS‘)
Kindheit heute ist mehr denn je Medienkindheit. Wenn Sechsjährige in die Schule kommen und dort freudig erwarten, ‚lesen‘ im Sinne von ‚gedruckte Texte entziffern‘ zu lernen, kennen sie bereits Gedrucktes aus ihrer Umwelt, ob als Aufschrift auf Gegenständen, Schildern oder Lebensmittelpackungen, als Bestandteil von Bildern in Medien oder – dies ist für viele Kinder aber durchaus nicht selbstverständlich – aus Vorlesesituationen mit ihren Eltern. Nahezu alle Erstklässlerinnen und Erstklässler kennen auch audiovisuelle Hör- und Filmmedien sowie digitale Medien inklusive diverser Spielarten digitalisierter Literatur (vgl. auch die zweijährlich erscheinende KIM-Studie des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest zum Medienverhalten von Kindern).
Oft kennen Kinder ein und dieselbe Geschichte bereits aus einem Medienverbund:
- Buch plus Hörbuch bzw. Tablet-App oder
- Kinofilm plus Buch oder
- Animationsfilm bzw. Fernsehsendung (oft als Serie) plus Merchandising-Artikel oder
- Tonie-Box (= besonderes Abspielgerät für digitale Hörbücher, das mittels einer aufgesetzten Spielzeug-Hauptfigur schon von sehr jungen Kindern aktiviert werden kann)
- usw.
Ferner kennen sie Bildschirmspiele, YouTube-Videos sowie spätestens ab Klasse 1 natürlich Unterrichtsmaterial (Arbeitshefte, Bilderbuchkino usw.).
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Die Vielfalt der modernen Medienwelt muss im Deutschunterricht der Grundschule berücksichtigt werden. Die Vermittlung von Lesekompetenz im engeren Sinne hat zwar nach wie vor die Schlüsselfunktion inne. Denn erst mit dem Erwerb der Schriftsprache werden die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Kinder Medien sinnvoll nutzen können. Jedoch ist Lesekompetenz nur eine kulturelle Wahrnehmungs- und Verarbeitungsform neben anderen. Die Verwendung von E-Books, Bilderbüchern und Bilderbuch-Apps, digitalen Vorlesestiften oder auch Film-DVDs im Unterricht birgt vielfältige Lernchancen. Dies betrifft neben dem Erwerb einer allgemeinen Medienkompetenz insbesondere die Bildlesekompetenz (Bildliteralität). Kinder sollen, so heißt es in allen Bildungsplänen, Medien begründet auswählen können, sie kritisch wie auch produktiv nutzen lernen, sich mit ihrer Hilfe informieren und sich von ihnen emotional und ästhetisch anrühren lassen.
„Der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule besteht im Kern darin, Schülerinnen und Schüler angemessen auf das Leben in der derzeitigen und künftigen Gesellschaft vorzubereiten und sie zu einer aktiven und verantwortlichen Teilhabe am kulturellen, gesellschaftlichen, politischen, beruflichen und wirtschaftlichen Leben zu befähigen. Dabei werden gesellschaftliche und wirtschaftliche Veränderungsprozesse und neue Anforderungen aufgegriffen.“ (Kultusministerkonferenz, Bildung in der digitalen Welt, S. 10) |
Die folgende Aufgabenstellung bezieht sich auf die Apps Oh wie schön ist Panama, erschienen bei Mixtvision nach dem Bilderbuch von Janosch, und Spot beim Verlag Houghton Mifflin Harcourt nach Ideen des Bilderbuchkünstlers David Wiesner.
Sie können sich zuvor im Internet über die Apps einen ersten Eindruck verschaffen: zum Beispiel mit Hilfe von YouTube (dort bitte immer dem gesuchten Titel den Begriff ‚App‘ hinzufügen, sonst landen Sie rasch bei anderen Medien, etwa bei Zeichentrickfilmen).
Beurteilen Sie das Potenzial von ausgewählten Kinder-Apps für den Deutschunterricht, indem Sie die passenden Antworten zuordnen. (Die Antworten erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit!)
Die Geschichte basiert auf dem sparsam animierten Bilderbuch – mit zusätzlichen Animationen und Effekten.
Oh wie schön ist Panama orientiert sich eng an der einfachen Struktur des Bilderbuches von Janosch, die Stationen der App folgen wesentlichen Szenen / Kapiteln.
Man kann sich die Geschichte vorlesen lassen und gelegentlich kleine Spiele spielen.
Die Hauptfiguren Bär und Tiger sowie die beim Antippen immer quakende Tigerente sind konstante Elemente der Erzählung, die von einer eher betulichen Sprecherstimme (ausschaltbar) vorgetragen wird.
Die Geschichte schreitet linear voran, der Leser / die Leserin tippt mit Hilfe von Pfeilen zum nächsten Kapitel.
Als Ausgangspunkt dient eine kleine Weltkugel, welche die Ringstruktur der Erzählung verdeutlicht (am Ende kommen Bär und Tiger, ohne es zu wissen, wieder zu Hause an…). Sie stellt Orientierung her, welche Szenen / Spiele bereits absolviert wurden. Diese App kann im Unterricht (z.B. ab Klasse 2) gut im Medienverbund eingesetzt werden und eignet sich zum Vergleich der Medien Buch und App.
Die Struktur ist ein komplexer Hypertext: mit Verlinkungen zwischen fünf Hauptorten.
Ausgangspunkt der Geschichtenwelt Spot ist eine Marienkäfer-Werkstatt. Von dort aus führt der Geschichtenpfad in skurrile Szenen: Paraden mit Katzen, Hunden, Picknick mit Marienkäfern, Szenen mit Außerirdischen, möblierte Unterwasserwelten… Die App eignet sich für den Erwerb von Bildliteralität. Sie motiviert zur Anschlusskommunikation und zu Anschlusshandlungen (Bauen, Abfilmen, Erzählen zu eigenen phantastischen Welten).
Vielfach enthalten sind Bildzitate, z.B. eine Parade in New York.
Wiesner verwendet gerne Bildzitate, ob aus dem kollektiven visuellen Gedächtnis oder aus seinen eigenen Bilderbüchern. In Spot kommen Katzen und Außerirdische vor, die die Hauptfiguren seines Bilderbuches Herr Schnuffel sind.
Den Weg von einer ‚Welt‘ in die nächste legt man durch Zoomen zurück.
Die ständig wiederholte Geste ‚pinch to zoom‘ (Aufziehen und Vergrößern mit zwei Fingern) ist die wichtigste Funktion.
Die Kinder können den Ton ausschalten und die Geschichte erzählen / vorlesen.
So können die Kinder erzählend / vorlesend den Duktus der Schriftsprache imitieren.
Es bietet sich an, eine Geschichte zu einer Szene zu schreiben.
Schreiben zu einer Szene oder zu einem Screenshot: Das passt zu vielen Apps, aber nicht zu allen.
Filmische und mediale Begriffe können funktional angebahnt werden, ohne explizit benannt zu werden (Perspektive, Zoom, Hypertext…).
Kinder haben bereits vielfältige Nutzerkompetenzen, wenn sie in die Schule kommen – nun braucht es verlangsamtes Hinschauen, Anschlusskommunikation.
Aufgabe 5 von 5
SCHRIFTSPRACHERWERB – WIE LERNEN KINDER SCHREIBEN (UND LESEN)?
Der Schriftspracherwerb beginnt bereits im Vorschulalter und wird beschrieben als ein Entwicklungsprozess, der sich auf mehreren Niveaustufen vollzieht und bestimmt ist durch eine eigenaktive, selbstgesteuerte Aneignung. Hans Brügelmann und Erika Brinkmann (1994) skizzieren diesen Prozess folgendermaßen:
- von der willkürlichen Buchstabenfolge zur lautorientierten Schrift
- vom Lautskelett zur Umschrift der eigenen Mundart
- vollständige Lautschrift und Übernahme von grafischen Rechtschreibmustern (sch, ie, mm, usw.), die jedoch häufig unzutreffend eingesetzt werden (z.B. kohmen)
- von übergeneralisierten Schreibmustern zur korrekten Rechtschreibung
→ B → BL → BAL → BALL
Beim Lesen- und Schreibenlernen müssen Kinder verschiedene Einsichten gewinnen:
- Bedeutungshaltigkeit der Schrift,
- Buchstabenbindung der Schrift,
- Lautbezug der Schrift,
- orthografische Eigenständigkeit der Schrift.
Die Lernenden müssen sich vor allem zwei Erkenntnisse aneignen:
- das Wortkonzept: In einem Satz werden alle Redeteile aufgeschrieben und zwischen den Wörtern Lücken gelassen.
- das Phonembewusstsein: Wörter lassen sich in lautliche Segmente zerlegen, und bestimmten Schriftzeichen sind bestimmte Lautsegmente zuzuordnen.
Beim Schriftspracherwerb spiegeln die Zugriffsweisen auf Schrift, in welcher Entwicklungsphase die Kinder sich befinden. Renate Valtin (1997) zeigt in ihrem Modell auf, welche Einsichten und Fähigkeiten der Lernenden in den verschiedenen Phasen sichtbar werden:
- Nachahmung äußerer Verhaltensweisen (Kritzelbriefe),
- Kenntnis einzelner Buchstaben anhand figurativer Merkmale (Malen von Buchstabenreihen, z.B. des eigenen Namens),
- Beginnende Einsicht in den Buchstaben-Laut-Bezug (‚Skelettschreibungen‘, Anlaut B oder BL statt Ball),
- Einsicht in die Buchstaben-Laut-Beziehung (phonetische Schreibungen OAN statt Ohren),
- Verwendung orthographischer Elemente (Umlaute, -en, -er, Übergeneralisierungen),
- Automatisierung von Teilprozessen, entfaltete orthographische Erkenntnisse.
Abb. 1 entstand in der 1. Klasse zu Beginn des zweiten Schulhalbjahres. Die Kinder haben zum Thema ‚Mein Traum‘ geschrieben. In der Wolke steht: ‚Ich Bin Eine Ballarina ich Tanße auf Einer Büne ich haBe Ein golnes tutu ich grige golne Rosen alle yubeln.'
Welche Einsichten hat das Kind bereits gewonnen? Welche Zugriffsweisen auf Schrift sind erkennbar?
Das Kind verfügt bereits über ein Wortkonzept.
Fast alle Redeteile sind verschriftet, zwischen den Wörtern wurden Lücken gelassen.
Das Kind beherrscht die Groß-und Kleinschreibung.
Das Kind weiß offensichtlich, dass es Groß- und Kleinbuchstaben gibt, verwendet die Großbuchstaben aber noch nicht korrekt.
Das Kind verfügt über Phonembewusstsein.
Anhand der Verschriftungen ist bereits ein Phonembewusstsein erkennbar.
Das Kind befindet sich in Phase 5 des Entwicklungsmodells von Valtin.
Das Kind beginnt orthographische Elemente zu verwenden (Umlaut bei Büne / Bühne, nicht aber bei Tütü, Großschreibung von Substantiven: Rosen, Ballarina / Ballerina, Büne / Bühne). Zugleich treten aber auch Zugriffsweisen aus früheren Phasen auf (phonetische Schreibungen: grige statt kriege; teilweise werden Grapheme tentativ eingesetzt: yubeln, Tanße).
Das Kind hat Legasthenie, weil es Buchstaben spiegelverkehrt schreibt.
Zu Beginn des Schriftspracherwerbs schreiben Kinder Buchstaben häufig spiegelverkehrt. Mit Voranschreiten des Erwerbsprozesses verliert sich dies in der Regel (auch ohne ein Eingreifen durch die Lehrkraft).