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Kirchengeschichte – ‚Ich denke, also bin ich‘

Dieses Aufgabengebiet wurde erstellt von Volker Drecoll und Isabella Schuler.
 

‚Ich denke, also bin ich‘ (cogito ergo sum) – vielleicht kennen Sie dieses Zitat des französischen Philosophen René Descartes (1596-1650). Die lateinische Version stammt aus dessen Werk Principia philosophiae (1644). In seinem Discours de la méthode (1637) ist das Zitat aber auch schon auf Französisch zu finden: ‚Je pense, donc je suis.‘ In beiden Werken geht es um die Frage, ob es irgendetwas gibt, bei dem man sich ganz ohne Zweifel sicher sein kann, dass es wirklich existiert.

Damit vergleichbare Überlegungen finden sich bereits gut tausend Jahre vor Descartes, beim Kirchenvater Augustin von Hippo (354-430). Auch in verschiedenen seiner Texte spielt die Frage danach, was ohne Zweifel sicher gewusst werden kann, eine tragende Rolle. Beide Autoren haben auf je ihre Weise zur Entwicklung des Christentums beigetragen und sind daher für die Kirchengeschichte von Interesse. In den folgenden Aufgaben werden Sie exemplarisch je einen Text von Augustin und einen Text von Descartes in den Blick nehmen.

Die Kirchengeschichte zielt in einem ersten Schritt darauf ab, die Texte zu verstehen. Die Aufgaben führen Sie daher zunächst an eine sorgfältige Lektüre der Texte heran. In einem zweiten Schritt sind Texte in ihren historischen Kontext einzubetten. Die beiden Schritte dürfen und können aber nicht strikt voneinander getrennt werden, denn die Texte sind Zeugen ihrer Zeit. Sie können ohne ihren historischen Kontext nicht richtig verstanden werden und verraten gleichzeitig etwas über ihre Autoren, die Adressaten und die Umstände, in denen sie entstanden sind.

In der Aufgabe ‚Ich denke, also bin ich‘ werden Sie in mehreren Schritten zuerst das Kapitel de civitate dei 11,26 von Augustin untersuchen. Das Kapitel gehört zu einem der Großwerke Augustins, mit dem er gut 15 Jahre beschäftigt war. Ein entscheidender Anlass für Augustin, dieses Werk zu verfassen, war der sogenannte ‚Fall Roms‘. Im Jahre 410 fielen Goten in Rom ein. Zwar kann archäologisch nicht nachgewiesen werden, dass bei diesem Einfall eine flächendeckende Verwüstung Roms stattfand, aus den Texten der Zeit lässt sich jedoch erheben, dass das Ereignis einen bleibenden Schrecken bei den Bewohnern des römischen Reiches hinterlassen hat. Der ‚Fall Roms‘ hatte also einen hohen symbolischen Wert. Für diesen ‚Fall Roms‘ machten einige Heiden die christliche Religion verantwortlich. Hätte man die Götter weiterverehrt und sich nicht dem christlichen Gott zugewendet, wäre es nicht zu der Katastrophe gekommen. Diesem Argument begegnet Augustin in de civitate dei. Die ersten zehn Bücher widersprechen der These, die römischen Götter könnten ihren Verehrern Glück vor oder nach dem Tod garantieren. In den Büchern 11-22 konzentriert sich Augustin darauf, die christliche Lehre vorzustellen.

Von René Descartes wird die Meditatio de prima philosophia 2,3 herangezogen. Diese Schrift hat Descartes 1641 verfasst. In ihr findet sich zwar nicht wortwörtlich das cogito ergo sum, jedoch taucht es inhaltlich auf. Descartes widmete die Schrift der Theologischen Fakultät Sorbonne in Paris. Der Text soll den Theologen Argumente an die Hand geben, die den christlichen Glauben gegen Einwände der Atheisten verteidigen. Neben Christen hatte Descartes als Adressaten folglich Atheisten im Blick, die die Existenz eines Göttlichen grundsätzlich leugnen.


Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 9

AUGUSTINS DE CIVITATE DEI 11,26 – TEIL 1: LEITVERBEN

nulla in his ueris Academicorum argumenta formido dicentium: quid si falleris? si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui nosse, non fallar. sicut enim noui esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.

(Augustin, de civitate dei 11,26 [345,17-346,25 D./K.])
 

Keine bezüglich dieser wahren Dinge vorgetragenen Argumente der Akademiker beunruhigen mich, die sie sagen: Was, wenn du dich täuschst? Denn wenn ich mich täusche, bin ich. Denn wer nicht ist, kann sich ja auch gar nicht täuschen: deshalb bin ich, wenn ich mich täusche. Weil ich also bin, wenn ich mich täusche, inwiefern täusche ich mich, dass ich bin, weil es ja sicher ist, dass ich bin, wenn ich mich täusche? Weil ich also sein muss, der ich mich täusche, selbst wenn ich mich täuschen würde, täusche ich mich ohne Zweifel nicht darin, dass ich weiß, dass ich bin. Daraus folgt jedoch, dass ich auch darin, dass ich weiß, dass ich [es] weiß, mich nicht täusche. Denn wie ich weiß, dass ich bin, so weiß ich auch dies selbst, dass ich [es] weiß.

Welche Verben kommen in dem Text häufig vor?

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Formen von ‚denken‘ (cogitare)

Formen von ‚denken‘ (cogitare) kommen im Text nicht vor.

Formen von ‚sein‘ (esse)

‚Denn wenn ich mich täusche, bin ich.‘ (si enim fallor, sum.)

Formen von ‚erkennen‘ (intellegere)

Formen von ‚erkennen‘ (intellegere) kommen im Text nicht vor.

Formen von ‚wissen‘ (nosse)

z.B. ‚… ich weiß, dass ich bin.‘ (me noui esse)

Formen von ‚sich täuschen‘ (falli)

z.B. ‚Was, wenn du dich täuschst?‘ (quid si falleris?)

Die Verbformen am lateinischen Text hervorgehoben (falli ,esse,nosse):

nulla in his ueris Academicorum argumenta formido dicentium: quid si falleris? si enim fallor, sum. nam qui non est, utique nec falli potest: ac per hoc sum, si fallor. quia sum ergo, si fallor, quomodo esse me fallor, quando certum est me esse, si fallor? quia igitur essem qui fallerer, etiamsi fallerer, procul dubio in eo, quod me noui  esse, non fallor. consequens est autem, ut etiam in eo, quod me noui  nosse, non fallar. sicut enim noui  esse me, ita noui etiam hoc ipsum, nosse me.