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Das Privatrecht – Ein Fallbeispiel

Anhand des folgenden Fallbeispiels, in dem es um mögliche Schadensersatzansprüche geht, soll Schritt für Schritt der Aufbau eines zivilrechtlichen Gutachtens erarbeitet werden. Der juristische Gutachtenstil basiert auf der Logik der Subsumtion. Subsumtion bedeutet, dass ausgehend von der zu beantwortenden Frage, diejenigen Vorschriften, aus denen sich die Antwort möglicherweise ergeben kann, daraufhin geprüft werden, ob ihre im Gesetz abstrakt genannten Voraussetzungen im konkreten Fall erfüllt sind.


Das Quellen- und Literaturverzeichnis zu dieser Seite finden Sie hier.

Aufgabe 1 von 11

Justin (J) hat zu seinem siebten Geburtstag am heutigen Tag von seinen Eltern ein neues iPhone geschenkt bekommen. Auf dem Weg zur Schule ist er mit der Installation diverser ‚lebensnotwendiger‘ Applikationen beschäftigt. Als J plötzlich stolpert, fällt ihm das iPhone aus der Hand und zu Boden. Beim Aufheben des Geräts entdeckt J, dass er sich soeben und völlig unbeabsichtigt die berüchtigte ‚Spiderapp‘ auf seinem neuen Smartphone ‚installiert‘ hat. J, der für sein Alter an sich schon reif und grundsätzlich sehr umsichtig ist, schleudert, von einem veritablen Zornanfall ergriffen, das Gerät, das ihm aufgrund des gesprungenen Displays nun nicht mehr vorzeigbar erscheint, kurzerhand und mit voller Kraft von sich. In seiner Rage bemerkt er dabei nicht, dass sich in der Flugbahn des iPhones der, an dafür vorgesehener Stelle ordnungsgemäß geparkte, ebenfalls brandneue Mercedes A 45 AMG des Torsten (T), den dieser seinerseits von den stolzen Eltern zum heutigen 18ten Geburtstag geschenkt bekommen hat, befindet. Aufgrund des ungünstigen Aufprallwinkels des Smartphones auf dem Kotflügel des ‚Benz‘ wird dieses Karosseriebauteil so sehr in Mitleidenschaft gezogen, dass es ausgetauscht werden muss. Die dadurch entstehenden Kosten von 1.000 € möchte T von J ersetzt bekommen.

Steht dem T ein Anspruch gegen J aus § 823 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu?

§ 823 Abs. 1 BGB lautet:

„Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.“

Der Obersatz, auch Hypothese genannt, gibt die zu beantwortende Frage wieder und stellt damit also den ersten Schritt der Subsumtion als Gesamtvorgang dar. Der Untersatz demgegenüber ist der Abgleich des Lebenssachverhalts mit dem geprüften Tatbestandsmerkmal, hier spricht man auch von der Subsumtion im engeren Sinne. Der Schlusssatz wiederum gibt das gefundene Ergebnis wieder, er wird auch als Schlussfolgerung oder als Conclusio bezeichnet.

Wie könnte ein Obersatz für den vorliegenden Fall lauten?

Die Deliktfähigkeit des J. ist zu unterstellen.

In bestimmten Fällen ist eine Haftung Minderjähriger zu deren Schutz ausgeschlossen. Wer in einer solchen Konstellation durch einen Minderjährigen geschädigt wird, hat seinen Schaden selbst zu tragen, sofern er sich nicht wegen einer Aufsichtspflichtverletzung an die Eltern halten kann. Eine solche Konstellation setzen wir an dieser Stelle als nicht gegeben voraus.

Es ist nur nach einem Anspruch des T gegen J aus § 823 Abs. 1 BGB gefragt. Das bedeutet, dass andere Anspruchsgrundlagen nicht zu thematisieren und Ansprüche gegen die Eltern des J nicht zu prüfen sind.

Dem T könnte ein Anspruch gegen J auf Ersatz der Reparaturkosten aus § 823 Abs. 1 BGB zustehen.