In der Empirischen Kulturwissenschaft werden Phänomene der Alltagskultur aus gegenwartsbezogener und historischer Perspektive untersucht. Beide Sichtweisen dienen dazu, die kulturelle Ordnung und Dynamik moderner Gesellschaften zu analysieren und zu interpretieren. Im Video wird das Fach kurz vorgestellt und Alltagsphänomene beispielhaft mit den Inhalten des Studiums verknüpft.
Dem Alltag auf der Spur – Empirische Kulturwissenschaft (EKW)
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Copyright: Eva Oswald, Franziska Wagner
Studienfach Empirische Kulturwissenschaft – Grundständige Studiengänge an der Universität Tübingen
Fach |
Studienmöglichkeiten |
Abschluss |
Regelstudienzeit |
Empirische Kulturwissenschaft |
Hauptfach |
B.A. |
6 Semester |
Empirische Kulturwissenschaft |
Nebenfach |
B.A. |
6 Semester |
Auf der Seite der Universität Tübingen finden Sie die aktuellen formalen Studieneingangsvoraussetzungen und die aktuellen Informationen zur Studienverlaufsplanung zum Fach Empirische Kulturwissenschaft.
„Kulturwissenschaft, da erforscht man doch zum Beispiel Unterschiede bei Begrüßungsritualen in verschiedenen Ländern oder so was wie die Gedichte von Goethe und Opern von Verdi.“
FALSCH! Kultur lässt sich für uns nicht anhand nationaler Grenzziehungen beschreiben. Wir schauen uns eher an, wie wir alle auf die Idee kommen, es gäbe Unterschiede in der Art und Weise wie Menschen, die zufällig auf der einen oder anderen Seite einer Grenze geboren sind, sich verhalten.
Wir verstehen Kultur auch nicht als das Feine, Gehobene, Gute – als Hochkultur. Für uns ist Kultur das, was unseren Alltag strukturiert und prägt. Wenn wir auf der Toilette Comics lesen oder unser Instagram checken, dann ist das Kultur. Wenn wir uns Kerzen anzünden, um es uns gemütlich zu machen, dann ist das Kultur. Wenn wir uns morgens ein Müsli machen, ohne viel dabei zu denken – auch das ist Kultur.
„Empirisch – das heißt doch unglaublich viel Statistik und Rumrechnen.“
FALSCH! Empirie ist griechisch und heißt so viel wie Erfahrung oder Erfahrungswissen. Genau das ist das Kernstück unserer Wissenschaft: die Erfahrungen, die Menschen machen. Sie interessieren uns. Wir arbeiten mit Methoden, die uns diese Erfahrungen erschließen und beobachten lassen – wir führen beispielsweise Interviews oder machen selbst bei etwas mit. Deswegen ist mit „empirisch“ auch gemeint, dass wir unsere eigenen Erfahrungen in dem Feld, das wir erforschen, nutzen, um Wissen herzustellen.
„Mit EKW wird man entweder Taxifahrer*in oder arbeitslos.“
FALSCH! Mit einem Abschluss in EKW ist man für ganz schön viele und vielfältige Berufe qualifiziert. Dazu gehören die Arbeit im Museum, das Managen von Kulturbetrieben oder die Kulturverwaltung im öffentlichen Dienst. Einige Absolvent*innen landen in Unternehmen, im Journalismus, in der Wissenschaft oder in ganz anderen, spannenden Berufen. Drei davon stellen wir hier vor – noch mehr gibt es auf der Homepage unseres Instituts. Es gibt also viele Aufgaben, die nach dem Studium auf Absolvent*innen warten – Taxifahren gehört nicht dazu.
Manchmal machen wir ausnahmsweise Umfragen. 2011 zum Beispiel. Da haben wir versucht, statistisch zu erfassen, wie es mit unseren Studierenden nach dem Abschluss weitergeht. Knapp zwei Drittel aller Absolvent*innen hatten bereits ein halbes Jahr nach dem Abschluss einen Job gefunden. Und – was noch viel wichtiger ist – auch nach langen Jahren im Berufsleben schätzen die EKW-Absolvent*innen die Fähigkeiten und Kompetenzen, die sie im Studium gelernt haben, als durchweg positiv und für ihren Beruf sinnvoll ein.
Matthias Klückmann – Diversity Manager
Als was arbeiten Sie?
Kein Mensch ist gleich dem anderen. Wir alle unterscheiden uns auf die eine oder andere Art und Weise. Sich diese Unterschiede bewusst zu machen und von diesen Unterschieden zu profitieren, sind die Aufgaben eines Diversity Managers/einer Diversity Managerin in Unternehmen, in Verwaltungen und Institutionen. Diversity wird dabei häufig als Zusammentreffen gängiger Aspekte, die Menschen unterscheiden können, verstanden. Zu den sogenannten Kerndimensionen zählen Geschlecht, Nationalität und Ethnizität, Alter, Religion und Weltanschauung, sexuelle Orientierung und Identität, physische und geistige Fähigkeiten sowie soziale Herkunft. Die Arbeit als Diversity Manager/Diversity Managerin reicht von operativen Tätigkeiten – wie beispielsweise der Kommunikation zu diesen genannten Themen oder der Entwicklung und Umsetzung von Maßnahmen, um Diskriminierung zu verhindern – bis zur strategischen Beratung der jeweiligen Leitungsfunktionen.
Was hat das mit EKW zu tun?
Auf den Punkt bringt es der schwedische Sozialanthropologe Ulf Hannerz mit seiner Feststellung „Diversity is our Business“. Das Verstehen unterschiedlicher Perspektiven und Lebenswelten ist eine der grundsätzlichen Intentionen der Empirischen Kulturwissenschaft. Mit diesem Selbstverständnis ist schon die wichtigste Voraussetzung für eine Tätigkeit im Diversity Management gegeben. Denn EKWler beschäftigen sich nicht nur thematisch mit den verschiedensten sozialen Gruppen – sie kennen auch die Mechanismen von Inklusion und Exklusion, die es zu überwinden gilt, damit Vielfalt für alle zu einem Gewinn werden kann. Und nicht zuletzt ist es das Instrumentarium kulturwissenschaftlicher Analyse, das es EKWlern/EKWlerinnen ermöglicht, organisationskulturelle Barrieren für Vielfalt zu erkennen und zu überwinden.
Kai Hensel – Sozialpädagoge
Als was arbeiten Sie?
Als Sozialpädagoge („Kulturpädagoge“) hat man einen breiten Einsatzbereich. Ich betreue junge Menschen, die ohne Eltern nach Deutschland gekommen sind. Oftmals sind es Menschen, die ganz anders sozialisiert sind und mitunter negative Erfahrungen auf der Flucht nach Deutschland gemacht haben. Ich begleite diese Menschen durch ihren Alltag und leiste in den meisten Fällen Hilfe zur Selbsthilfe. Im Mittelpunkt stehen dabei oft der Schulabschluss, die Ausbildung oder das Studium und das Finden einer Wohnung.
Kurz und knapp: Ich begleite junge Erwachsene durch alle Lebensbereiche. Dabei ist es immer wichtig, die Grenze zwischen „Nähe und Distanz“ zur Person zu beachten. Meine Rolle ist wie eine Mischung aus großer Bruder, Elternteil und Freund – ich muss jedoch die Professionalität und Distanz des Betreuers wahren.
Was hat das mit dem EKW-Studium zu tun?
Vom Studium der Empirischen Kulturwissenschaft hat meine Arbeit mit Menschen sehr profitiert. Die Beschäftigung mit der Frage „Was ist Kultur?“ birgt eine Fülle an Antworten. Bei der Begleitung der jungen Erwachsenen kommt es immer wieder zu Missverständnissen mit den Betreuenden, denen kulturelle Differenzen zu Grunde liegen. Um diese Missverständnisse zu klären, ist es hilfreich solche Differenzen zu erkennen und wertfrei zu behandeln. Wie geht man beispielsweise mit Traditionen um, die in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt geraten aber im Herkunftsland nicht wegzudenken sind? Wenn hierzulande praktizierte Ess-, Kleidungs-, und Gesprächsgewohnheiten oder der Umgang mit Familienmitgliedern der bisher gelebten und gewohnten Lebens- Religions- oder Staatskultur absolut widersprechen? Die Perspektiven der Empirischen Kulturwissenschaft und die theoretisch sowie methodisch reflexiv ausgelegte Ausrichtung dieses Faches helfen mir Situationen zu verstehen und mit der Vielfalt von Kultur umzugehen.
Evelin König – Freie Mitarbeiterin beim SWR
Als was arbeiten Sie?
Als Freie Mitarbeiterin arbeite ich beim SWR in Baden-Baden und von dort für die ARD. Meine Aufgabe besteht in der Moderation von Live-Sendungen. Zum einen moderiere ich die Service-Sendung ARD-Buffet, die werktäglich von 12:15-13:00 Uhr gesendet wird, und zum anderen die Schwester-Sendung im SWR-Sendegebiet Kaffee oder Tee. Meine Aufgabe ist es, durch diese Live-Sendungen mit all ihren verschiedenen Elementen zu führen. Dazu gehören Expert*innen-Gespräche, Interviews mit prominenten und nicht prominenten (aber spannenden) Gästen sowie die Anmoderation von Filmbeiträgen. Viele davon haben einen Bezug zur Empirischen Kulturwissenschaft: Warum wir etwas bewahren, wiederentdecken, neu erfinden. Zum Beispiel die Kultur fast vergessener Obstsorten, oder wo Menschen heute Heimat finden und woran sie das festmachen. Darüber hinaus bin ich hin und wieder als Reporterin für Live-Reportagen on tour.
Vor dem ARD-Buffet habe ich volontiert und aktuellen Journalismus praktiziert – unter anderem als Fernsehkorrespondentin für den Raum Bodensee-Oberschwaben und als Moderatorin von Baden-Württemberg aktuell. In diese Zeit fällt auch die Moderation von Fasnetsumzügen, Galas, Sondersendungen, Kulturreportagen. Und besonders spannend: eine 33-stündige Live-Übertragung aus der Eiger-Nordwand. Wie vier Bergsteiger die berühmte Wand durchstiegen...
Was hat das mit EKW zu tun?
Egal bei welcher Sendung: Ich versuche zu hinterfragen, wer da vor dem Fernseher sitzt, mit welchen Bedürfnissen, mit welchen Ansprüchen. Und da hilft mir mein Studium kolossal. Weil wir gelernt haben, nicht elitär zu denken, sondern auch den Blick von unten zu suchen. Und den Zugang zu Themen zu wagen, mit denen man bisher keine Berührung hatte. Inhaltlich ist die Empirische Kulturwissenschaft für einen journalistischen Beruf sowieso erste Wahl. Die Bandbreite der Forschungsfelder schätze ich sehr – und profitiere noch heute davon. Allerdings leiste ich manchmal innerlich vor den Dozentinnen und Dozenten meiner Studienjahre Abbitte. Etwa wenn mich mal wieder ein Zeitlimit von 30 oder 40 Sekunden zu Verkürzungen zwingt, die einem Thema nur bedingt gerecht werden. Aber ich denke, sie verstehen das. Denn auch das war immer wichtig im EKW-Studium: akademisch denken, empirisch forschen, praktisch umsetzen.